Reisebericht Syrien 2009
Auf den Spuren der Geschichte - Syrien 2009
Track auf Google Maps:
In Syrien hat die Menschheit Geschichte gemacht und seit mehr als 12.000 Jahren ihre Spuren hinterlassen.
— wie alles begann —
Die Idee, einmal Syrien zu bereisen wurde bereits auf einer unserer vergangenen Touren geboren und immer wieder ausgiebig diskutiert.
Anfang 2008 hatte sich dann für mich herauskristallisiert, dass ich aus beruflichen Gründen eine andere, größere und für 2009 geplante Reise leider absagen mußte. Dies der Grund, warum das Thema Syrien erneut aufgegriffen und konkretisiert wurde.
Recht schnell stand mit meinen langjährigen Reisebgleitern Remi, Alfred und Micha die Truppe für diese Unternehmung fest. Mit den Dreien, die im Laufe der Jahre zu richtigen Freunden wurden, hat die Tour die besten Voraussetzungen um ein weiteres, interessantes Kapitel in Sachen Reisen zum Erfolg bringen zu können.
Zum heutigen Zeitpunkt steht jedoch leider noch nicht fest, ob wir wie geplant zu viert losfahren werden. Auf unserer Tour durch Albanien in 2008 verletzte sich Micha an der Schulter, mußte operiert werden – und ist mittlerweile schon seit mehr als 9 Monaten arbeitsunfähig – wollen wir ihm an dieser Stelle weiterhin gute Besserung wünschen, dass sich der Heilungsprozess fortsetzt, er rechtzeitig zur Tour wieder fit ist und sein Moped in gewohnter Weise beherrschen kann. (Nachtrag; leider kann Micha uns auf dieser Reise nicht begleiten)
Da wir räumlich doch recht weit auseinander wohnen, lassen sich regelmäßige Treffen für unsere Reisevorbereitungen nur schlecht einrichten. Für die Planung, Vorbereitung und Abstimmung nutzen wir deshalb ein Online-Reiseforum, das uns von einem weiteren alten Bekannten und von zurückliegenden Touren befreundeten Mitfahrer für diesen Zweck zur Verfügung gestellt wird.
Nachdem wir uns über Zeitpunkt und Zeitraum geeinigt hatten, für September ‘09 stehen uns hierfür 3 Wochen zur Verfügung, stand die Frage über An- und Abreise zur Debatte. Diverse Varianten wurden diskutiert, auf eigener Achse über den Landweg, Autoreisezug (Villach – Edirne), verschiedene Fährverbindungen und sogar Flug mit den Mopeds als Luftfracht. Entschieden haben wir uns letztendlich für eine ausgewogene Mischung der Varianten, die auch preislich für unsere schmale Reisekasse noch vertretbar ist.
Mit der Fähre soll es von Venedig bis nach Griechenland (Igoumenitsa) gehen. Von dort aus dann über Land durch Griechenland, quer durch den Süden der Türkei zur Grenze nach Syrien. Im Zielland angekommen, wollen wir zuerst die nordsyrische Stadt Aleppo anfahren. Den weiteren Tourverlauf in Syrien wollen wir offen und flexibel gestalten, bis wir uns in der dritten Reisewoche dann schließlich wieder auf den Heimweg aufmachen müssen. Die Heimreise soll uns auf eigener Achse und auf dem Landweg von der syrischen Grenze Richtung Norden durch Zentralanatolien wieder auf den europäischen Kontinent nach Istanbul führen. Von dort aus wird uns die Reise weiter Richtung nord-west durch Bulgarien, Serbien, Bosnien, Kroatien, quer durch Slowenien und Österreich wieder zurück nach Deutschland führen.
— Vorbereitungen —
Mi., 02.03.2009
Kartenmaterial in digitaler Form für unsere GPS-Geräte, sowie als Papierformat war schnell besorgt. Reiseführer und Internet waren für die kommenden Wochen die Quellen unserer Recherchen. Internationale -Fahrzeugpapiere und -Führerscheine wurden bei den Behörden beantragt. Bei der Fahrzeugversicherung wurde eine schriftliche Bestätigung der Deckung für Haftpflicht- und Fahrzeugversicherung, auch für den asiatischen Teil der Türkei, eingeholt. Ein Visum für mehrfache Einreise nach Syrien wurde beim syrischen Konsulat in Berlin geordert. Die Fährtickets für die Hinreise (Venedig – Igoumenitsa), sowie schweizer Autobahnvignetten haben wir beim ADAC erworben. Im Vorfeld lies ich auch meinen aktuellen Impfstatus durch unseren Betriebsarzt überprüfen und die benötigten Impfungen auffrischen.
Nachdem das Motorrad nochmals einem technischen Service unterzogen wurde, neue Reifen montiert sind, die Reise- und Campingausrüstung überprüft und gepackt ist, kann es endlich losgehen.
— Reisetagebuch —
Do., 03.09.2009
Donnerstag Nachmittag, 3. September ‘09. Meine vollbepackte BMW steht vor dem Büro und wartet, genau wie ich sehnsüchtig auf die Abfahrt. Pünktlich zum vereinbarten Zeitpunkt um 15.00 Uhr klingelt mein Handy und Alfred teilt mir mit, dass er sich abfahrbereit vor unserem Bürogebäude eingefunden hat. Wettertechnisch schaut’s sehr wechselhaft aus, aber das kann die Stimmung nicht trüben, denn viel zu lange haben wir auf diesen Moment gewartet. Die ersten Kilometer geht’s über die Autobahn in die Schweiz. Kein wahrer Genuss, aber was soll’s – wir sind endlich auf Tour!
Auf halber Strecke zwischen Heidelberg und Venedig, den Verladezug in der Schweiz bei Kandersteg haben wir gerade hinter uns gelassen, machen wir Stop und verbringen die Nacht auf der Campingparzelle bei Alfreds Schwiegereltern im Walis bei Brig. Der Tag ist schon ziemlich weit vorangeschritten und angesichts, dass wir am nächsten Morgen früh raus müssen, wir haben noch 480 km bis Venedig, lassen wir es auch nicht all zu spät werden.
Fr., 04.09.2009
Der Wecker klingelt, es ist 5:00 Uhr und Draußen ist es noch tiefnacht. Eine Tasse Instant-Kaffee, dann noch die Schlafutensilien zusammenpacken und wieder auf unseren Motorrädern verstauen. Bei angenehmen 18°C geht’s über den Simplon Pass weiter nach Italien, durch Milano, Bergamo, Verona und Padova direkt ans Fährterminal von Minoan Lines in der Bucht von Venedig. Hier treffen wir Remi der gewohnt pünktlich schon auf uns wartet. Seit mehr als einem Jahr haben wir uns nicht mehr gesehen und der Kontakt beschränkte sich in den letzten Wochen fast ausschließlich auf immer länger werdende Vorbereitungsmails. Entsprechend freudig und glücklich, jetzt die Truppe komplett zu haben, fallen wir uns bei der Begrüßung in die Arme. Ich gehe noch schnell zum Schalter um unsere Fährtickets gegen die Bordkarten zu tauschen und nach einiger Wartezeit rollen wir in den Bauch der ‘Zeus Palace’. Die Mopeds unter Deck geparkt und verzurrt suchen wir eine geeignete Stelle, um unser Schlaflager einzurichten. In dem Raum mit den Pullmannsitzen finden wir genügend Platz und breiten Isomatte und Schlafsack aus. Die Fähre legt ab und und schippert langsam durch die Bucht von Venedig. Der Blick herab von dem großen Dampfer auf die kleinen Wasserstraßen der venezianischen Altstadt beeindruckt uns jedes Mal wieder auf’s Neue.
Auf Deck an der Bar, wir nehmen gerade unser erstes und wohlverdientes Schrankenbierchen zu uns, lernen wir Valerie kennnen. Valerie, Herausgeber eines Motorradmagazins in seiner ukrainischen Heimat, ist mit einer BMW K 1200 LT unterwegs zu Freunden nach Montenegro. Weit gereist hat er jede Menge Geschichten zu erzählen und seit Bergamo fährt seine K 1200 LT nur noch mit 2 Gängen. Gastfreundlich wie die Ukrainer nun mal sind, lädt Valerie uns zu einem Schinkenvesper mit original ukrainischen Vodka ein. „Micha, in Ukraina Tradition is immer alles zu probieren 3 mal“: sagt er – und gießt uns zwei weitere male die Vodkabecher voll.
Sa., 05.09.2009
Die Nacht ist viel zu schnell vorüber, wir haben sehr gut geschlafen, was nicht nur alleine an der ukrainischen Weizenspezialität gelegen haben mag. Auch die Fahrt durch die öde Poebene am Vortag hat uns wohl mehr ermüdet, als wir angenommen hatten. Frühstücken, Schlafplatz räumen und warten, bis die Fähre in Igoumenitsa anlegt. Endlich können wir wieder auf unserem eigenen Fortbewegungsmittel weiterfahren. Kaum 70 km auf der sehr gut ausgebauten Autobahn hinter Igoumenitsa streikt Alfred’s Moped. Zum Glück ist hier nur der Sprit ausgegangen. Nicht zu glauben, aber wir stehen auf der Autobahn am Verzögerungsstreifen, das Shell Tankstellenschild schon in Sicht, aber die GS verlangt nach mehr Sprit. Die GS Fahrer unter euch wissen, das Moped auf die rechte Seite gelegt – und schon sind auch die restlichen 3 Liter Reserve mobilisiert.
Die paar Meter von der Autobahn bis zur Tanke schaffen wir locker. Was wir jetzt erfahren ist kaum zu glauben. Die Tankstelle hat momentan Stromausfall und so ist auch hier kein Sprit zu bekommen. Zum guten Glück gibt es nur 2,5 km weiter eine weitere Tankstelle, die auch Alfred’s GS dank der mobilisierten Reserven problemlos schafft. Weiter über die Autobahn in Richtung Thessaloniki kommen wir nach Alexandroupolis und finden ein geeignetes Motel, sogar mit ’Free Internet Connection’. Nur noch ca. 60 km bis zur türkischen Grenze – ein großes Stück Kilometer abspulen wäre geschafft.
So., 06.09.2009
Nach einem Frühstück an der Strandbar ist das Motel schnell geräumt und die Mopeds aufgrödelt. Wir sitzen schon wieder auf unseren BMW’s und rollen in Richtung des griechisch-türkischen Grenzübergang bei Kipi. Die Grenzformalitäten verlaufen reibungslos, lediglich Remi muß als Österreicher für 15,- € ein Visum – und für 5,- € eine Fahrzeugversicherung kaufen. Uns Deutschen bleiben diese Ausgaben erspart. Es geht weiter in Richtung Eceabat, von wo aus wir die Fähre nach Canakkale nehmen. Gute 30 Minuten später stehen wir auf dem asiatischen Kontinent. Über Can fahren wir nach Balikesir. Diese Strecke macht uns mal wieder so richtig Laune. Eine um die andere Kurve führt uns über kleinste Sträßchen durch die bergige Landschaft. Wir fahren zwar viele Kilometer, aber wir machen nicht wirklich richtig viel Strecke. Als wir nach 230 km auf die Karte schauen wird uns klar, wir müssen wieder die Hauptverbindngsrouten wählen um zügiger voran zu kommen. Über Akhisar schaffen wir es pünktlich bis zum Sonnenuntergang noch bis Salihli und beziehen hier Quartier. Gegenüber dem Hotel ist ein kleiner Imbiss, bei dem wir unser Abendessen zu uns nehmen. Lamm am Spies, gefüllt mit Innereien und auf einem Fladenbrot angerichtet. Den ganzen Tag kaum etwas gegessen, ist dies genau das, wonach wir gesucht hatten. Dem Imbissbesitzer macht unsere Anwesenheit sichtlich Laune. Er lädt uns noch auf einen türkischen Tee ein – und nach einem kleinen Bummel durch die Stadt suchen wir wieder unser Hotel auf.
Mo., 07.09.2009
Kurs Ost, getreu diesem Motto folgen wir der Nationalstraße 300. Vierspurig, völlig neu aufgebaut und asphaltiert sichert uns diese Route ein schnelles Vorankommen. Ja fast wie auf einer deutschen Autobahn, hier nur so ganz ohne Verkehr, fahren wir über Usak nach Afyon und von dort weiter nach Cay. Sehr zum Leid von Alfred, er ist der einzige Raucher unter uns, stoppen wir wie auch die Tage zuvor schon, eigentlich nur zum Tanken. Während Remi’s und mein Spritfass je über 40 Liter aufnehmen, hat Alfred’s Originaltank nur ein Fassungsvermögen von 22 Liter. Dies sichert ihm, zumindest von Zeit zu Zeit, auch seine Raucherpausen ;-).
Kurz vor Konya eine weitere Polizeikontrolle. Alle vorherigen durften wir ohne anzuhalten passieren. Diesmal jedoch werden auch wir herausgewunken. Sofort erinnern wir uns an all die Erzählungen und Berichte über solche Kontrollen und deren Willkür. Sind wir auf den letzten Kilometern etwa doch zu schnell unterwegs gewesen? Einer der vier Uniformierten, er scheint der Dienstgrad höchste zu sein, bittet um unsere Dokumente. Während wir in den Brieftaschen nach Jenen suchen, schaut er sich unsere Nummernschilder an: „Germania?“ fragt er. Ich beantworte seine Frage mit einem ’Yes’ und grinsend erwidert er : „Bayern Munich?!?, Football???“. Ich hebe beide Daumen nach oben und antworte: „Very Good!“. Zum guten Glück weiss der Polizeibeamte ja nicht was, ich über diesen Verein wirklich denke ;-). Auf türkischer Sprache – und mit einer eindeutigen Handbewegung gibt er uns zu verstehen, dass er jetzt gar keine Dokumente mehr benötige und wir einfach weiterfahren können. Zur Verabschiedung noch ein freundlicher Händedruck und wir starten wieder unsere Motoren.
Durch Konya führt eine sehr gut ausgbaute, 6 spurige Fahrbahn. Neben uns sogar noch eine Straßenbahn. Die Außenbezirke, die allesamt erst in den letzten Jahren errichtet wurden, deuten auf eine sehr moderne Stadt hin. Uns bleibt jedoch nicht die Zeit, um irgendwelche Sehenswürdigkeiten zu begutachten und Kurs Ost geht’s weiter bis wir schließlich in Eregli ankommen. Ein preisgünstiges Hotel in zentraler Lage ist gleich gefunden und nach einer ausgiebigen Dusche machen wir uns auf die Suche nach einem Restaurant. Fündig werden wir ganz in der Nähe unseres Hotels. Ein einladendes und umfangreiches Buffet mit türkischen Spezialitäten, dazu Vor- und Nachspeise, inklusive Getränke für umgerechnet nur 4,-€ macht uns auch heute wieder satt. Für ein Schlummer-Bierchen suchen wir noch kurz ein Pub auf – und mit voller Vorfreude auf den nächsten Tag, der Grenzübertritt nach Syrien steht uns bevor, fallen wir ins Bett.
Di., 08.09.2009
Morgens in der Früh, sehr früh, die Uhr steht genau auf 4:37 Uhr, wecken uns die Rufgebete des Muezzin aus den Lautsprechern der benachbarten Moschee. Der Muezzin erinnert die gläubigen Moslems an ihr Frühstück, denn schon bald ist offizieller Sonnenaufgang und die Gläubigen dürfen danach kein Essen oder Trinken mehr zu sich nehmen. Hatte ich eigentlich schon erwähnt, dass wir genau im moslemischen Fastenmonat Ramadan unterwegs sind? Wir lassen uns durch diesen Umstand aber nicht stören und schlafen noch eine weitere Runde. Später, nach dem Frühstück, für uns wird im Hotel trotz Ramadan etwas zubereitet, geht es weiter in Richtung Syrien. Wir fahren gerade über einen 1300 Meter hohen Pass und mein Thermometer zeigt eine Temperatur von 21°C. Zum Erstenmal seit wir in Asien sind, muß ich die Lüftungsreissverschlüsse meiner Motorradjacke schließen. Ja, es friert mich ein wenig, Waren wir die Tage zuvor doch Temperaturen um die 38°C gewohnt. Die Strasse führt durch ein kleines Tal und neben uns erheben sich die Berge bis in eine Höhe von 2998 Metern. Auf der Autobahn geht’s nach Adana und weiter über Iskenderun und Kirkhan, wo wir gegen 14:00 Uhr den Grenzübergang BAB AL Hawa erreichen. Mein Kilometerzähler zeigt jetzt genau 3268 Kilometer mehr als bei der Abfahrt in Heidelberg.
Bei der Ausreise aus der Türkei ist der Computer des Grenzbeamten der festen Meinung, dass Remi gar nicht in die Türkei eingereist sei. Kein Problem, schließlich hat Remi sein abgestempeltes Visum mit Einreisestempel in seinem Reisepaß eingetragen. Dies bedeutet keine wirkliche Verzögerung und 15-20 Min später können wir von der türkischen Grenzstation hinüber zur Syrischen rollen.
Hier erwarten uns auf dem Hof der Grenzstation unzählige LKWs, PKWs und Busse, an denen wir aber allesamt vorbeifahren und die Motorräder direkt vor dem Zollgebäude parken. Wir versuchen herauszufinden, an welchen Schalter wir zuerst müssen. Dies gestaltet sich nicht als ganz so einfach, die Ausschilderungen sind alle auf arabisch. Ein junger Syrer hinter einem Tresen, über dem ein großes Schild mit der Aufschrift ’Toursit Information Helpdesk’ hängt, spricht uns an und unterbreitet uns seine Hilfe. Aus einschlägigen Reiseberichten haben wir über die Abzocke der Schlepper an solchen Grenzübergängen gehört und wir beschließen, uns selbst durch den Dschungel des Grenzformalismus zu schlagen. Am Imigration-Office erhalten wir ein Formular, welches sowohl in arabischer wie auch in englischer Sprache übersetzt ist. Schnell sind die Eintragungen auf diesem blauen Papier gemacht und ein Stempel in unsere Pässe gedrückt.
Jetzt kommt aber noch der schwierigere Teil der Übung, wir müssen unsere Motorräder offiziell nach Syrien einführen. Benötigt werden hierfür ein Zolldokument (Carnet) und eine Versicherung, die man direkt hier an der Grenze abschließen muß. Wo bitteschön ist der Schalter an dem wir als nächstes anstehen müssen? Wir kommen mit zwei deutschsprechenden Libanesen, mit ihren Fahrzeugen unterwegs in ihr Heimatland, ins Gespräch und sie erzählen uns, dass sie innerhalb von zwei Tagen aus Deutschland bis hierher an die Zollstation gekommen sind. Nun aber stehen sie hier schon weitere zwei Tage und warten auf ihre Zolldokumente. Uns schwant Schlimmes, und als wir am Schalter der Customs für 2,- US Dollar ein Formular nur in arabischer Sprache erhalten wenden wir uns wieder vertrauensvoll an den jungen Syrer am ’Helpdesk’. Hatem, so sein Name, weist sich aus und meint das er der einzigste von der Regierung legitimierte Helfer an diesem Grenzposten sei und auch von jener bezahlt würde. Ein wenig Vertrauen zu ihm gewonnen, verspricht er uns, dass alles kein Problem wäre und wir in 15 Minuten weiterfahren können. Zuerst füllt er für uns die Zollerklärung aus und schickt uns auf den Hof zu einem Zöllner, der das Dokument unterschreiben muß. Kein Problem, wir werden bevorzugt behandelt – und Dank der offensichtlich erkennbaren Handschrift Hatem’s, ist die Unterschrift schnell auf dem Papier. In einem weiteren Büro, dessen Zugang wir ohne Hilfe nie gefunden hätten, benötigen wir für die zuvor erhaltene Unterschrift noch einen Stempel. Hierfür ist der Chef der Grenzer zuständig. In seinem klimatisierten Einzelbüro, in erhabener Position sitzend auf seinem Drehstuhl, drückt er sein Siegel auf unser Papiere. Nun müssen wir an den Bankschalter, um dort die Einzahlungen für unser Carnet und die Versicherung zu leisten. Vor dem Schalter jedoch stehen ca. 50 weitere Personen, die in arabischer und türkischer Sprache laut artikulierend um die vorderste Position streiten. Einige von ihnen sind wohl die Reiseführer oder Busfahrer und haben stapelweise Pässe und Dokumente in der Hand, die alle abgefertigt werden sollen. Kopfschüttelnd meint Hatem, dass wir hier in 4 Stunden noch nicht an der Reihe wären und telefoniert kurzerhand mit einem Freund. Er schickt uns zum Polizeicheffe, dem wir die Situation – “wir Touristen, eigene Motos, viele Leute am Bankschalter“ usw. – erklären. Dieser Polizeichef, auf seinen Schulterklappen trägt er 3 goldene Sterne, stellt uns prompt einen seiner Untergebenen beiseite um die Situation etwas zu beschleunigen. Durch den Hintereingang landen wir wieder am Bankschalter. Der junge Polizist hat unsere Dokumente und unser Geld – und nach ca. 20 Minuten erscheint er mit syrischen Lira, unseren Papieren und den Einzahlungsbelegen in der Hand. Jetzt noch zum Schalter um Geld und Einzahlungsbelege gegen eine Unterschrift zu tauschen. Dann weiter zum Schalter an dem das Carnet ausgestellt wird, hier noch eine Kopie von Reisepass und Carnet erstellen lassen, das Fahrzeug zusätzlich noch in den Reisepass eintragen lassen – und ’schon’ hätten wir alle benötigten Papiere zusammen. Unser Schleußer Hatem führt uns jedoch zu einem weiteren Büro außerhalb des Gebäudes. Mittlerweile sind ca. 2,5 Stunden vergangen. Bei 35°C im Schatten in unseren Motorradklamotten kreuz und quer über den Grenzposten geschickt zu werden, hatten wir uns so auch nicht vorgestellt. Egal, der Grenzbeamte hier, wir wecken ihn aus dem Schlaf auf seinem Bürosofa, muß noch einmal alle Dokumente einsehen und gegenzeichnen. Diese Unterschrift lässt er sich mit je einem US Dollar von uns bezahlen. Nun sollte es aber weitergehen können, oder? Hatem nimmt uns mit zu seinen Freunden am gegenüberliegenden Kiosk, von wo aus er unbeobachtet mit uns reden kann. Er erklärt uns jetzt, dass er zwar von der Regierung bezahlt wird, aber er ja die Freundschaft zu Polizei und den anderen Beamten pflegen müsse – und auch denen für ihre Dienste ein paar Dollars in die Tasche stecken muß. Er will also Kohle von uns! Angesichts der Tatsache, dass wir ohne ihn, wahrscheinlich nie in irgendeinem angemessenen Zeitrahmen die Grenzstation verlassen hätten können, sind wir gerne bereit ihn mit je rund 15,-$ für seine Bemühungen zu entlohnen. Bevor wir dann wieder unsere Motorräder besteigen, müssen wir ihm aber noch versprechen, dass wir keinem erzählen, dass auch er von uns Geld angenommen hat. Um je 80,-$ für das Carnet, je 30,-$ für die Versicherung, je 15,-$ für Hatem und hier und da zwischendurch noch ein oder zwei Dollars, ist unsere Reisekasse geschmälert. Jetzt noch die Kontrolle bei der Ausfahrt vom Grenzhof – und wir sind in Syrien!
Noch knapp 55km bis Aleppo, das Ziel welches wir für unsere nächste Übernachtung anvisieren. Aus einem Reiseführer haben wir die GPS Koordinaten eines Hotels in unsere elektronischen Orientierungshilfen eingegeben. Das Stadtzentrum mit seiner Altstadt, auch für uns sehr gut lesbar ausgeschildert, finden wir auf Anhieb. An einer Kreuzung stehend, die alte Stadtmauer von Aleppo erhebt sich vor uns, meint unser Navi nur noch 160 Meter geradeaus und wir hätten das Hotel erreicht. 160 Meter geradeaus?!?! Die dicken Stadtmauern stehen diesem Vorhaben jedoch im Wege. Wir suchen eines der wenigen Stadttore und fahren unbehelligt der vielen Leute geradewegs in die Altstadt. Das Stadttor kaum passiert, stehen wir inmitten des größten Suq Aleppo’s. Egal, hier wollen, oder besser müssen wir durch, schließlich liegt das gesuchte Hotel nach unseren Informationen inmitten dieses Bazars. Mit einer dicken und schwer bepackten BMW durch einen belebten, orientalischen Markt zu fahren, dessen Gassen auch noch kaum breiter als unsere Fahrzeuge selbst sind, macht man nicht alle Tage und ist eine echte Herausforderung. Wir kämpfen uns jedoch durch und finden sogar auch den richtigen Abzweig zum Hotel. Leider sind hier alle Zimmer belegt und man schickt uns zu dem zugehörigen Hotel nur wenige Straßen um die Ecke. Also noch mal auf’s Motorrad, zurück durch den Suq, der kürzeste Weg ist auf Grund einiger für uns unüberwindbaren Treppen nicht möglich, deshalb außenrum zum Hotel ’Dar al Kanadil (Hotel de Charme)’. Das Hotel macht seinem Namen alle Ehre und verspricht mit seinem charmanten Innenhof, umgeben von einer Balkongalerie, eine geeignete Unterkunft für uns zu werden. Noch schnell das Zimmer begutachten, den Preis erfragen und schon haben wir ein Nachtquartier. Die Motorräder sollen nicht auf der engen Gasse stehen bleiben und der nette Hotelangestellte rät uns diese im Hotelinnenhof zu parken. Dies stellt eine neue weitere Herausforderung für uns dar. Denn die Motorräder sind breiter als der Hoteleingang. Wir müssen die Koffer abmontieren und nur mit größter Mühe und verkanteten Lenkern schaffen wir es irgendwie unsere BMWs in den sicheren Innenhof zu buchsieren. Noch garnicht richtig angekommen, spricht uns ein deutscher Hotelgast beim Abladen unseres Gepäcks an. Unsere Nummerschilder haben ihm verraten woher wir kommen. Er, wohnhaft ebenfalls in Heidelberg, ist mit seiner palästinensischen Ehefrau aus Damaskus auf Urlaub unterwegs, gibt uns auch gleich einen Tipp für ein gutes syrisches Restaurant. Siegbert und sein e Frau May beschließen uns nach Sonnenuntergang, es ist ja Ramadan, zum Abendessen in besagtes Restaurant zu begleiten. Dank May, die für uns alles auf arabisch bestellen kann, bekommen wir hier ein unglaublich leckeres und viel zu umfangreiches Essen in einem Ambiente, wie es schöner kaum sein kann. Die Beiden führen uns in das hier übliche Wasserpfeifen rauchen ein und wir sitzen bei ausgedehnten und interessanten Gesprächen noch bis 2:30 Uhr in der Nacht zusammen. Siegbert und May begleiten uns noch zurück zu unserem Hotel, wo wir uns von ihnen verabschieden. Die Beiden fahren noch in der Nacht mit dem Taxi zum Busbahnhof und von dort aus weiter nach Damaskus.
Mi., 09.09.2009
Nach den langen Etappen der letzten Tage, wir warem meist um die 10 Stunden in unseren Sätteln gesessen, legen wir heute eine Ruhepause ein und wollen die Stadt Aleppo etwas näher kennenlernen. Ein Spaziergang durch den Suq, durch den wir noch am Vorabend mit unseren Motorräder gefahren waren, bringt uns zum Wahrzeichen Aleppos – die alte Zitadelle. Auf einem einzelnen, hohen Felsen in Mitten der Stadt gelegen, thront die alte Zitadelle über der Altstadt von Aleppo. Der Besuch dieser alten Gemäuer ist für uns obligatorisch und der Ausblick über die Stadt kann halten, was wir erwartet haben. Wir schlendern über die Märkte der Stadt, beobachten die Leute (Beides könnte ich stundenlang tun), kaufen uns ein wenig zu Essen ein und sind am frühen Abend wieder zurück auf unserem Zimmer. Ein wenig ausruhen bis die Sonne wieder untergeht und der Muezzin vom Minarett den Abend ankündigt und damit wieder das Essen und Trinken während des Ramadan erlaubt. Wir sind zwar keine Moslem und somit auch nicht an den Ramadan gebunden, aber wir respektieren die Einheimischen und deren Glauben und vermeiden auch tagsüber vor deren Augen etwas zu uns zu nehmen. Noch einmal durch die engen Gassen des Suq, suchen wir das Restaurnt “Kan Zaman“ auf und werden auch hier wieder auf das Beste mit syrischen Spezialitäten verköstigt. Hier in diesem Restaurant, etwas mehr im Touristenviertel gelegen, bekommen wir zum Abendessen sogar Bier und Wein. Auf dem Rückweg zum Hotel müssen wir noch einmal kreuz und quer durch die Altstadt. Erst jetzt, es ist nach 22:30 Uhr, sind die Gassen hier richtig belebt. Denn das Leben hier beginnt meist est in den Abendstunden und zieht sich dann bis tief in die Nacht.
Do., 10.09.2009
Von Aleppo aus soll es heute nach Lattakia gehen. In südlicher Richtung verlassen wir die Stadt und folgen der Autobahn ca. 50km weit. Hier liegen unweit der Hauptstrasse nach Damaskus die Ruinen von Ebla. Wir entrichten die obligatorische Gebühr und machen uns auf zur Besichtigung. Ca. 50 Syrer sind hier unter italienischer Leitung mit Ausgrabungen beschäftigt. “No Photo!“, ruft mir eine der Ausgrabungsleiterinnen zu. Fotografieren darf man nur die bereits restaurierten Abschnitte der Ruinen. Ich habe aber Eintritt bezahlt, nicht viel und möchte dennoch gerne auch die Ausgrabungen festhalten. Meine Kamera eingeschalten unter dem Arm, gelingen mir ganz heimlich und unbemerkt ein paar Schnappschüsse. Westlich von uns liegt der Lattakia Gebirgszug welchen wir von Ost nach West, abseits der Hauptroute überqueren. Bis auf eine Höhe von knapp 1400 Metern (hier herrschen angenehme 25°C), zieht sich die Strasse über den Berg. Bei der Abfahrt auf der anderen Seite bietet sich uns ein ganz anderes Bild als bisher. Berghänge, mit kleinen Häuschen, wie sie auch in den italienischen oder französichen Alpen zu finden sind, säumen die Strassen.
Auf dem Weg liegt die alte Burg ’Saladin Castle’, an der wir natürlich nicht vorbeifahren wollen. Die Besichtigung bei diesen Temperaturen (jetzt wieder 35°C) in unserer Motorradkluft ist kein wirklicher Genuss, aber die Eindrücke und Bilder entschädigen uns für diese Qual.
Von hier sind es nur noch knapp 35 km bis zur Küstenstadt Lattakia. Wir buchen uns im Hotel ’Al Nour’ ein und machen uns gegen 19:00 Uhr zu Fuß auf den Weg, um die Stadt zu besichtigen. Hier, so haben wir erfahren, gilt Syrien als am weltoffensten. Dieser Eindruck hat sich uns bereits bei der Einfahrt in die Stadt bestätigt. Wir sehen kaum mehr als 2 Moscheen und auch die Menschen, speziell die Frauen, sind hier nicht mehr in ihre schwarzen Gewänder und hinter Schleier gehüllt. Dies ist unverkennbar einer der christlichen Hochburgen in Syrien. Doch auch hier bestätigt sich wieder, dass die Stadt erst deutlich später zu Leben anfängt als wir das von Deutschland gewohnt sind. In einer kleinen Seitenstrasse der American Street finden wir das Restaurant ’Al Mandalou’. Gute internationale Küche, leider! Wollten wir doch eigentlich wieder ein paar syrische Speisen zu uns nehmen. Kaum 1,5 Stunden später sind wir wieder zurück auf der American Street. Jetzt begreifen wir, was es heisst Lattakia lebt. Es ist Donnerstagabend, ähnlich unserem Samstag gehen die Leute hier an diesem Tag aus. Der Freitag ist hier der wirkliche – freie – Tag, genau wie bei uns der Sonntag. Rechts und Links der Flaniermeile, jede Menge Restaurants, Bistros, Boutiquen und überall blinken bunte Lichter und aus großen Lautsprechern tönt laute Musik. Auf diesem Boulevard geht man zu Wochenendbeginn natürlich sehr gerne flanieren. Besonders die jungen Syrerinnen sind herausgeputzt, modisch gestylt und könnten so glatt auch bei uns in der Fußgängerzone auf- und ab-spazieren ohne besonders aufzufallen. Die American Street, nur in einer Richtung zu befahren, wird unter den jungen Syrern genutzt, um ihre Autos zur Schau zu stellen und den Mädels zu imponieren. Mehrmals am Abend fahren sie an ein und derselben Stelle vorbei. Ich suche ein Internetkaffe auf und will die letzten beiden Tage dieses Reiseberichts online stellen. Die Stunde online kostet hier umgerechnet weniger als 0,30 €, doch ein kleines Problemchen gibt es da trotzdem noch. Die Betriebssysteme und die Tastaturen der PCs, allesamt in arabischer Schrift. Ich frage den Betreiber nach einer internationalen Tastatur und er weist mir den Platz mit der Nr. 4 zu, an dem sich auch ein Keyboard mit für mich lesbaren Zeichen befindet. Die erste Hürde ist geschafft, aber das Betriebssystem, der Betreiber schaltete es für mich extra auf Englisch, bringt noch immer irgendwelche Fenster auf arabisch. Auch der MS Internet Explorer schreibt in der Adresszeile von Rechts nach Links. Ebenfalls gewöhnungsbedürftig, das Windows Startmenü befindet sich in der unteren rechten Ecke und selbst das Schließen irgendwelcher Anwendungen ist nur mit einem ungewohnten Mausklick auf das Kreuzchen oben Links möglich. Naja, irgendwie scheint es dann doch noch funktioniert zu haben und ich bin jetzt auch im www wieder Up to Date.
Fr., 11.09.2009
Nach dem Frühstück packen wir unsere Motorräder. Diese Nacht mussten sie auf der Straße vor dem Hotel stehen. Für uns kein Grund zur Besorgnis, ist auf dem Nachbargrundstück zum Hotel doch die örtliche Polizeikaserne angesiedelt. Der bewaffnete Torposten steht keine 2 Meter von meinem Motorrad entfernt und muß hier rund um die Uhr Wache schieben. Einen besseren Schutz für unsere Motorräder können wir uns kaum vorstellen. Etwas südlich der großen Hafenstadt Lattakia wollen wir, nun sind wir schon mal hier, auch das Meer sehen und fahren an den Strand. In Lattakia an der Strandpromenade war dies nur bis vor dem Ausbau des Containerhafen möglich. Bei Baniyas fahren wir dann wieder Richtung Osten, noch einmal über den Lattakiagebirgszug nach Masyaf und dann nach Hamah, um dort die großen Wasserräder im Stadtkern anzuschauen. Über kleine und kleinste Sträßchen geht’s dann Kurs süd-west mit Ziel ’Crac des Chevaliers’. Unterwegs, Alfred’s Sprit neigt sich wieder dem Ende, halten wir an einer der üblichen kleinen Tankstellen an. Alle Drei volltanken, rund 52 Liter für umgerechnet ca. 40,- €. Bei den Preisen macht sogar das Tanken noch Spaß. Toni, der Tankwart lässt uns nicht fahren, bevor wir nicht noch einen Tee mit ihm getrunken haben. Er bittet uns in sein kleines Büro, in dem der Tankstelleneigner und ein weiterer Angestellter gerade am Essen sind. Tomaten, fritierte Kartoffeln, Gemüse, dazu Fladenbrot und die landesübliche Joghurtcreme. Es bleibt also nicht nur beim Tee, auch von dem Essen müssen wir kosten. Auf unsere Nachfrage was denn mit Ramadan sei, machen sie uns verständlich, dass sie Christen sind. Somit geht auch das mittagliche Mahl in Ordnung.
Von der Gastfreundschaft der syrischen Bevölkerung und deren durchweg netten Art sind wir schon lange überzeugt. “Welcome to Syria!“, ist der Satz, den wir schon unzählige Male gehört haben. Man ruft ihn aus fahrenden Autos, oder vom Straßenrand zu uns rüber. Sobald wir irgendwo stehen bleiben, bietet man uns Hilfe an und begrüßt uns mit eben diesem Satz. Dabei aber niemals aufdringlich. In Restaurants, bei irgendwelchen Sehenswürdigkeiten und auch auf den Suqs, immer wieder diese herzlichen 3 Worte. Die Art, wie man uns hier begrüßt, ist in der Tat herzlich und wirkt keineswegs aufgesetzt. Die Leute hier sind stolz auf sich und ihr Land und meinen das genau so wie sie es sagen. Am späten Nachmittag erreichen wir die in Syrien größte und am besten erhaltene alte Ritterburg ’Crac des Chevaliers’ und wollen am Hotel/Restaurant ’Round Table’, unmittelbar neben der Burg campen. Um das Zelt aufzustellen soll jeder von uns ca. 4,- € berappen. Ein 3-Bettzimmer hingegen kostet hier nur rund 15,- €, für alle zusammen wohlgemerkt. Ohne lange zu überlegen, lassen wir natürlich unsere Campingausrüstung in den Packsäcken und entscheiden uns für das Zimmer. Bei guter syrischer Küche, mit Blick auf die Burg und je 2 Flaschen libanesischem Importbier lassen wir den Abend ausklingen und beschließen die Burgbesichtigung gleich am kommenden Morgen auf die Tagesordnung zu setzen.
Sa., 12.09.2009
Die Nacht war alles andere als erholsam. Es waren nicht viele, aber eine handvoll quälender Stechmücken haben uns die Nacht mit ihrem wilden Gesumme fast zum Tage gemacht. Um 9:00 Uhr öffnet die alte Ritterburg, in ihrer heutigen Ausbaustufe im 12. Jahrhundert fertiggestellt, ihr großes Tor und wir können unsere Besichtigung starten. Schon beeindruckend, was man damals zur Zeit der Kreuzzüge schon zu bauen in der Lage war.
Zwei Stunden sind verstrichen und zahlreiche Bilder geschossen. Wir machen uns wieder auf den Weg. Auf der Landkarte entdecken wir eine kleine Durchgangsstraße die auf einer Länge von ca. 8 km durch den nördlichsten Zipfel des Libanon führt und wir versuchen, an dieser Stelle über die Grenze zum Libanon zu kommen. An dem kleinen Grenzposten, er ist so unscheinlich, dass Remi gleich mal daran vorbeigefahren ist, befragen wir den syrischen Grenzer nach den Ausreisemöglichkeiten. Während wir uns mit dem Grenzer unterhalten, fahren einheimische Autos und Mopeds ohne anzuhalten und völlig unbekümmert in beiden Richtungen über die Grenze. Der Übergang scheint nur für den kleinen Grenzverkehr gedacht zu sein. Für uns wäre an dieser Stelle die Ausreise und vielleicht auch die Einreise in den Libanon, ohne größere Grenzformalitäten möglich. Wir erfahren aber auch, dass es erhebliche Probleme bei der Wiedereinreise geben könnte. Ohne offiziell aus Syrien aus- und nach Libanon eingereist zu sein, kann schon eine gewöhnliche Straßenkontrolle problematisch für uns werden. Auf dieses Risiko wollen wir uns dann lieber doch nicht einlassen und setzen unsere Fahrt über Homs und dann in südlicher Richtung fort. Auf halbem Weg nach Damaskus soll ca. 25 km östlich der Autobahn eine weitere Sehenswürdigkeit liegen, die wir uns natürlich nur ungern entgehen lassen wollen.
Wir kommen über eine Hügelkette und bekommen zum ersten mal auf dieser Reise einen, im wahrsten Sinne des Wortes, atemberaubenden Blick auf die Wüste zu sehen.
Irgendwo führt eine kleine Stichstraße in ein kleines Tal und oben am Berg, regelrecht an den Hang gehängt, können wir das Kloster ’Dair Ma Musa’ ausmachen. Den 20 minütigen Aufstieg über steile Treppenstiege nehmen wir trotz der enormen Hitze in kauf und können oben von dem ca. 1400 Jahre alten Kloster die Ruhe der Abgelegenheit geniesen. Zu kurz diese Rast, unser Tagesziel soll ein weiteres Kloster sein.
Auf dem Weg dorthin, nur ca. 60 km haben wir noch, müssen wir noch einmal eine kleine Wüstendurchquerung hinter uns bringen. Die Landschaft hier ist so, wie ich mir Syrien ursprünglich vorgestellt habe. Ganz kurz verlasse ich den Asphalt um eines dieser Bilder die ich sehe, mit meinem Foto zu verewigen. Plötzlich wechselt der Untergrund und es hat den Anschein, als hätte hier jemand Puderzucker verstreut. Zu überraschend für mich und das Vorderrad möchte in dem Puderzucker eine andere Richtung einschlagen als ich und so komme ich zu Sturz. Zum Glück bin ich ja nicht schnell und so geht der Sturz für Motorrad und Fahrer auch glimpflich über die Bühne. Jetzt liegt sie da meine vollbepackte BMW. Weil ich ja nur kurz einen Fotostop machen will, sind die Anderen schon weitergefahren und können mir in dieser Situation erstmal nicht helfen, mein über 300 kg schweres Gefährt wieder aufzurichten. Ich mache noch schnell ein Bild von der Situation und schaffe es auch alleine, die Fuhre wieder auf die Räder zu stellen, um dann den anderen Beiden zu folgen. Unbemerkt, dass ich mich während der ganzen Aktion, am Rande einer militärischen Einrichtung befunden habe, bin ich froh wieder auf dem Moped zu sitzen. Denn fotografieren von militärischen Einrichtungen sieht man hier in Syrien extrem ungerne.
Nach 10 km, wir verlassen gerade das Dorf Yabrud, überholt mich ein Kleinlaster. Er hupt und fuchtelt wild mit seinen Händen herum. Das Hupen und auch gegrüßt zu werden sind wir mittlerweile gewohnt, aber irgendwie ist diese Situation hier etwas anders. Beim Blick in den Rückspiegel kann ich etwas weiter hinten meinen linken Alukoffer auf der Straße liegend sehen. Scheinbar hat der Bodenkontakt kurz zuvor doch eine kleine Nachwirkung hinterlassen und die Kofferhalterung aus ihrer Befestigung gerissen. Wir fixieren die Kiste kurzum mit einem Spanngurt und können 5 Minuten später wieder Fahrt aufnehmen.
Von Norden her kommen wir in das Dorf Maalula. Das Dorf liegt auf etwa 1700 Meter in mitten der Berge, die Häuser schmiegen sich an die Berghänge und es ist ein sehr altes und christliches Dorf. Hier in Maalula spricht man noch Aramäisch, die Sprache die einst Jesus mit seinen Jüngern gesprochen hat. Außer hier, in ein paar benachbarten Dörfern und einer Hand voll Dörfern in der Türkei, ist diese ursprüngliche Sprache weltweit ausgestorben. Aus einigen Reiseberichten haben wir erfahren, dass man hier im Kloster der heiligen Thekla übernachten kann, wenn man den Priestern ein paar Euros zukommen lässt. Leider ist für uns heute kein Zimmer frei und wir müssen mit dem einzigen Hotel am Platze vorlieb nehmen. Das ’Hotel Maamula’, eigentlich nicht unsere Preisklasse, liegt auf einem Felsen hoch über dem Dorf und bietet einen atemberaubenden Ausblick über genau Jenes und die umliegende Berge. Die junge Syrerin an der Rezeption ist total begeistert von uns als sie erfährt, dass wir aus Österreich und Deutschland kommen. “I like Michal Ballack“, meint sie und will am nächsten Tag mit uns weiter nach Deutschland fahren. ’Promise’, so ihr arabischer Name ins englische übersetzt, erzählt uns auch, dass hier in Maamula am 14.09. ein großes Fest stattfindet. Man feiert das ’Fest des Kreuzes’. Es dauert 3 Tage und beginnt somit genau HEUTE. Nun ist uns auch klar, warum wir im Kloster kein Bett mehr bekommen konnten. Die Jugendlichen haben die Berghänge erklommen und zünden dort, von jeder Menge Faschingsböllern und lauten Gesängen begleitet, eine Vielzahl von Lagerfeuern an. Von der Hotelterasse geniesen wir diesen faszinierenden Ausblick und können den Jugendlichen auch nicht verübeln, dass sie die ganze Nacht durchfeiern.
So., 13.09.2009
Die Sonne scheint von Osten genau auf das malerische Dorf. Dieses Licht können wir uns nicht entgehen lassen und schießen am Morgen noch einige Fotos von Maamula und dem Thekla-Kloster. Heute herrscht hier ein ungewohnt touristisches Treiben vor dem Platz am Kloster. Eine junge, hübsche Syrerin spricht uns an und möchte gerne zusammen mit uns und unseren Motorrädern abgelichtet werden. Dem Wunsch kommen wir selbstverständlich sehr gerne nach und ihre Freundinnen machen einige Aufnahmen mit ihren Fotohandys. Ich komme nicht umhin und muß nun auch noch eine Runde auf meinem Motorrad mit ihr durchs Dorf fahren. Auf meinem Soziusplatz ist eigentlich mein Gepäcksack verstaut, trotzdem schafft sie es sich irgendwie hinter mich zu klemmen. Unten auf der etwas breiteren Dorfstraße, ich schalte gerade in den zweiten Gang hoch und beschleunige etwas kräftiger, schreit sie laut heraus und schnürt mir mit ihren Armen um meinen Körper gelegt fast die Luft ab. Sie freut sich wie ein kleines Kind, ihre tiefblauen Augen leuchten und sie strahlt glücklich bis über beide Ohren. Ihr Name bedeutet ins Deutsche übersetzt ’Mond’ und mit ihren 21 Jahren hat sie kaum solch ein herrliches Gefühl erlebt wie gerade in diesem Moment, erzählt sie mir während der kurzen Fahrt.
Damaskus liegt nur rund 40 km Luftlinie von uns entfernt, genügend Zeit also es heute mal etwas gemütlicher angehen zu lassen. Irgendwo auf der Strecke finden wir eine kleine Tankstelle und wollen wieder einmal unsere Tanks füllen. Auf den beiden Zapfsäulen steht in blau-weiss geschrieben ’Aral, alles Super!’, aber Sprit haben sie für uns leider keinen. “Only Diesel!“ meint der Betreiber, der mit sehr großem Interesse unsere Motorräder begutachtet. Auf Remi’s HPN will er mal probesitzen. Es dauert nicht lange und Remi erlaubt ihm sogar auch eine Probefahrt. Bei dem Gedanken daran, was jetzt wohl alles passieren kann, wie, wann und ob er wohl wieder zurückkommt, ist uns allen Dreien nicht ganz wohl. Es dauert aber nur kurz und der Fahrer kommt mit einem gekonnten Schwung wieder auf den Tankstellenhof gefahren. Als ehemaliger Polizist weiss er wohl wie man mit einem Motorrad umgeht.
Auf dem Tankrucksack transportiert er jetzt eine Teekanne. Nur zwei Minuten später, es mussten ja noch Bilder mit ihm und der HPN gemacht werden, sitzen wir in seiner kleinen Bude und sind zum Tee eingeladen. Noch ein zweites Glas Tee und es geht wieder los.
Noch ein weiterer Zwischenstop bei Saydnaya, auch hier steht wieder ein christliches Kloster, das es wert ist besichtigt zu werden. Danach kommen wir endlich nach Damaskus. Der Verkehr nimmt zu und es bildet sich bei der Stadteinfahrt sogar fast so etwas wie ein kleiner Stau. Die allgemeine Verkehrssituation hier in Syrien, unter deutschen Verhältnissen würde man von Chaos sprechen, ist dennoch übersichtlich. Und wenn man sich den hiesigen Bedingungen angepasst hat und weiss wo sich der Knopf für die eigene Hupe befindet, dann kann man unbedenklich mit dem Verkehr mitfliesen. Wir folgen der Ausschilderung immer in Richtung Stadtmitte. Irgendwo halten wir an und verschaffen uns einen Überblick. Wir versuchen die Adresse der Backpacker Unterkunft aus dem Reiseführer mit dem Stadtplan abzugleichen. Nach zweimaligem Nachfragen, sogar mit Unterstützung eines Verkehrspolizisten, erfahren wir, dass wir nur rund 150 Meter von unserem Ziel entfernt sind.
Auf Nachfrage nach einem freien Zimmer schüttelt Achmet der Eigentümer des Backpacker leider den Kopf. Als er jedoch Remi’s Motorradjacke sieht und wir seine Frage, ob wir denn mit Motos unterwegs wären mit ja beantworten, lächelt er uns an und gibt uns zu verstehen, dass er Motorräder über alles liebe. Morgen ist wieder ein Zimmer frei und wenn wir möchten, können wir diese Nacht auf unseren Isomatten im Aufenthaltsraum verbringen. Wir stimmen zu und sind überrascht wie idyllisch solch eine Backpacker Unterkunft doch sein kann. Ich liebe diese Unterkünfte, trifft man hier doch immer auch andere Rucksackreisende aus aller Welt, macht meist nette Bekanntschaften und kann interessante Gespräche führen und aktuelle Informationen austauschen.
Etwas später machen wir uns dann zu Fuß auf um den bekannten, großen Suq von Damaskus aufzusuchen. Auch hier könnten wir wieder stundenlang verweilen und den Händlern und Passanten zuschauen. Der große Suq endet an der ’Umayayaden Moschee’, die wir für 50 syrische Lira (~0,75€) besichtigen können. Alfred und ich sind in kurzen Hosen unterwegs, in den letzten Tagen hatten wir auf Grund des Ramadan so gut wie komplett darauf verzichtet, aber unser Wirt Achmet antwortete auf die Frage hin ob denn kurze Hosen hier in Damask ok wären nur: “You are in Syria, welcome home! No problem with your shorts!“. Hier am Eingang der Moschee, man zwinkert uns in der gewohnt freundlichen Art zu und meint, dass unsere nackten Beine zu sexy sind um sie in der Moschee zur Schau stellen zu dürfen. Beim Ticketschalter, Tickets müssen hier nur Touris lösen, verpasst man uns dann auch gleich noch entsprechende Beinkleider. Die Moschee ist in der Tat eine Besichtigung wert. Zum Abendessen suchen wir uns ein nettes und sehr orientalisches Restaurant in der Altstadt hinter der Moschee. Wir haben von Damaskus noch nicht viel gesehen, doch die Altstadt mit ihren kleinen verwinkelten Gassen, zieht uns in ihren Bann. Drei Nächte wollen wir hier übernachten und wir sind mit ziemlicher Sicherheit nicht zum letztenmal durch dieses Altstadt-Labyrinth spaziert.
Auf dem Rückweg zu unserer Unterkunft entdecken wir auch noch die bekannteste Eisdiele des Orients. Das ’Bakdash’, wie sich die Eisdiele nennt, kennen wir aus vielen Reiseberichten und genau dies war einer der ersten Fixpunkte, die wir uns für diese Reise Zuhause notiert hatten. Hier können wir natürlich nicht vorbeigehen ohne dieses berühmte Eis gekostet zu haben. Lecker – kein Zweifel und wer nach Damaskus kommt, der sollte es uns diesbezüglich unbedingt gleichtun.
Mo., 14.09.2009
Für heute haben wir von unserem Stützpunkt Damaskus einen Tagesausflug geplant. Südwärts fahren wir auf der 6 spurig ausgebauten Autobahn aus der Stadt. Sobald es geht verlassen wir den Highway und nehmen lieber die parallelführende Landstraße. Wir sind schon eine gute Stunde unterwegs, als wir am Ende des Asphaltbandes 3 Radfahrer erahnen können. Als wir uns nähern bestätigt sich meine Vermutung. Es sind keine Einheimischen, sondern vielmehr drei Reisende auf Tour – genau wie wir! Im Vorbeifahren hupen wir und grüßen die Drei. Wie es sich aber für Reisende auf Tour gehört, halten wir wenige hundert Meter später an um mit ein paar Gleichgesinnten einige Informationen auszutauschen. Drei Deutsche aus Mainz, wie es sich herausstellt. Seit acht Wochen nun schon unterwegs, und sie haben die komplette Strecke, mittlerweile mehr als 5.000 km, aus Deutschland auf dem Rad zurückgelegt. Sie wollen weiter nach Jordanien, Israel und dann nach Ägypten. Von Kairo aus geht schon in nur 9 Tagen ihr Rückflug nach Deutschland. Ein paar Minuten tauschen wir noch unsere Erlebnisse aus und wünschen uns gegenseitig eine gute Weiterreise. Unser voller Respekt gilt den Jungs, die eine so weite Strecke nur durch eigene Muskelkraft zurückgelegt haben.
Wir kommen in die Grenzstadt zu Jordanien, nach Deraa. Hier wollen wir eine Pause einlegen und uns mit einem einem Cay etwas stärken. Cay, oder auch Kaffee, gibt es ramadanbedingt leider Nirgendwo für uns zu kaufen. Ein kleiner Einzelhändler meint aber es sei kein Problem, wenn wir eine kühle Pepsi zu uns nehmen würden. Man bietet uns wieder eine Sitzgelegenheit an und wir kommen mit dem Einzelhändler und ein paar anderen Einheimischen ins Gespräch. Wir machen uns gerade wieder zum Aufbruch bereit, da kommt noch ein Nachbar und überreicht mir einen Rollkalender Jahrgang 2009/2010 als kleines Gastgeschenk. Ein paar Kilometer Umweg bis zur Grenzstation Syrien/Jordanien nehmen wir in Kauf und erkundigen uns dort nach den Aus- und wieder Einreisemodalitäten. Es sollte eigentlich keine größere Hürde darstellen um einen Abstecher nach Jordanien machen zu können. Für uns heute aber leider nicht, wir haben unser Gepäck schließlich in Damaskus zurückgelassen. Wir sind jetzt aber bestens informiert für den Fall, dass unser Reisekalender ein paar Tage für einen Abstecher nach 'Amman' und der alten Stadt ’Petra’ über läßt. Ansonsten wird dies der südlichste Punkt unserer Reise gewesen sein. Entlang des Grenzverlauf, meist in einem Abstand von nur 3-5 km, geht es die nächsten 30 km östlich bis nach Busra. Hier steht das weltweit besterhaltene römische Amphitheater. Für 150 syrische Lira (~2,20€), der Standard-Eintrittspreis aller staatlichen Sehenswürdigkeiten, können wir uns auf antike Fotosafari begeben. Das Theater, von Außen total unscheinbar und ursprünglich für noch mehr als die 15.000 Zuschauer geplant, musste aus statischen Gründen tief in die Erde eingelassen werden. Über die oberen Zuschauerränge erreichen wir das Innere. Erst jetzt bietet sich der Anblick in vollem Ausmaß auf dieses gigantische Bauwerk. Nicht ohne Grund ist dieses Glanzstück römischer Architektur das Titelbild dieses Reiseblogs geworden.
Der Rückweg nach Damaskus gestaltet sich eher weniger spektakulär. Erst als wir 20 km vor den Toren der Stadt eine falsche Abfahrt nehmen und in einem der Außenbezirke landen, wird es verkehrstechnisch wieder etwas belebter. Kleine, schlecht asphaltierte Straßen, fliegende Händler am Straßenrand, jedes zweite Auto ein wie wild hupendes Taxi, Mopeds die sich Millimeter knapp an uns vorbeischlängeln und Fußgänger die ohne einen Blick nach Links oder Rechts über die Straßen hasten. Es ist schon Abend und uns scheint als wollen jetzt alle noch schnellstmöglich nach Hause um dann gleich nach dem Sonnenuntergang, im Kreise der Familie das Abendessen zu sich nehmen zu können. In diesem Verkehrschaos, so unglaublich es sein mag, muß ich an Professor Dr. Dr. rer. nat. Göttlicher denken, mein “alter“ Matheprof. In einigen seiner Vorlesungen hat er uns versucht etwas über ’Die Ordnung im Chaos’ zu lehren. Damals nie verstanden, weiß ich spätestens seit heute von deren angewandten Praxis. Man möchte es kaum glauben, aber es passiert in diesem unüberschaubaren Durcheinander nicht das Geringste. Die Autos, Mopeds und Passanten gehen untereinander fast auf Tuchfühlung, aber dennoch gibt es eine gewisse Rücksicht aufeinander. Es gilt die einfache Regel, wer weiter vorne ist, der darf auch zuerst fahren.
Di., 15.09.2009
Aufgeschoben ist bekanntlich nicht aufgehoben! Und so ist das Thema Abstecher nach Jordanien für uns nicht begraben. Wir haben es für eine unserer nächsten Reisen auf Eis gelegt. Gestern beim Abendessen hatten wir noch beschlossen einen weiteren Einreiseversuch in den Libanon zu unternehmen. Im Internetkaffee nochmal über die allgemein Lage informiert, räumen wir das Zimmer im Backpacker und lassen uns aber schon mal für die übernächste Nacht wieder eine Reservierung eintragen. Nach zwei Tagen spätestens, wollen wir wieder in Damaskus zurück sein. Bis zur libanesischen Grenze sind es nur rund 35km und dort wird uns wieder der Kampf um Dokumente und Stempel erwarten. Um euch nicht wieder mit den Details der Grenzabfertigung zu langweilen, notiere ich dieses mal eben im Telegrammstil.
Ausreise aus Syrien: – 34°C – kurz vor der Grenzstation anhalten und GPS Geräte im Gepäck verstauen – Remi kontaktiert per Handy kurz die österreichische Botschaft in Beirut, um die aktuelle Sicherheitslage abzufragen – Ausweiskontrolle Einfahrt Grenzhof – Durchfragen an welchen Schalter man sich zuerst wenden muß – freundlicher Zöllner verlangt syrisches Carnet und begutachtet es – freundlicher Zöllner unterschreibt das Carnet – zurück zu einem anderen Schalter um das Carnet zu stempeln – freundllicher Zöllner prüft nochmal Carnet, stempelt es und trennt den unteren Teil des Papiers für uns ab – ca. 600 Meter weiter vor fahren zum Polizeiposten – richtigen Schalter mit richtigem Beamten suchen – richtiger Beamter erklärt uns wir brauchen ein grünes Papier ’Casima’ um die Ausreisegebühr zu entrichten – grünes Papier ’Casima’ gibt es aber 600 Meter weiter hinten vor dem Zollposten von dem wir gerade herkommen – zurückfahren ist nicht – Uwe geht zu Fuß die 600 Meter zurück – freundlicher Zöllner von vorhin schickt Uwe zum richtigen Schalter – je 550,- syrische Lira (~8,-€) für dreimal grünes Papier bezahlen – Uwe winkt dem freundlichen Zöllner mit den drei grünen Papieren erfolgreich lächelnd zu – freundlicher Zöllner fertigt gerade einen privaten PKW ab – freundlicher Zöllner weist den Fahrer des PKW an Uwe die 600 Meter bis zum Polizeiposten weiter vorne mitzunehmen – Uwe steigt in die Klapperkiste und fährt mit – am Polizeiposten grünes Papier abstempeln lassen – Ausreise wird in den Pass eingetragen – nochmals stempeln – beim Verlassen des Grenzhofes Ausweis kontrollieren lassen.
Einreise nach Libanon: Ausweiskontrolle Einfahrt Grenzhof – irgendein Büro aufsuchen um zu fragen an wen man sich zuerst wenden muß – drüben beim ruhigen Zöllner anstehen – ruhiger Zöllner schickt uns zur anderen Seite (Kiosk mit Kopierer) um Kopie vom Ausweis mit syrischen Ausreisestempel und Fahrzeugschein zu erstellen – im Kiosk muß noch eine Fahrzeugversicherung abgeschlossen werden (~37,-€, gültig für ein Jahr) – mit Kopie zum ruhigen Zöllner – ruhiger Zöllner füllt handschriftlich je ein riesen rosa Dokument in zweifacher Durchschrift aus (libanesisches Carnet) – je 20,-$ US für rosa Dokument zahlen – am gegenüberliegenden Schalter das rosa Dokument nochmal stempeln lassen – vorfahren um ca. 200 Meter zum Polizeiposten – gemütlicher Polizeibeamter händigt uns am Schalter blaue Imigration-Deklaration aus – blaue Imigration-Deklaration ausfüllen – zurück zum Schalter – gemütlicher Polizeibeamter erklärt uns wir müssen 25.000 libanesische Lira zahlen für Visa – gratis Visa nur für Transit oder zum Flughafen – Fremdwährung wird nicht akzeptiert – draußen auf dem Grenzhof einen suchen, der durch den Zaun hindurch Euros gegen libanesische Liras tauscht – gemütlicher Polizeibeamter telefoniert mehrmals – gemütlicher Polizeibeamter stempelt unsere Pässe und klebt Visa ein – Wechselstubenbetreiber lädt uns durch den Zaun hindurch auf einen Kaffee ein – Ausweise und Fahrzeugpapiere beim Verlassen des Grenzhofes nochmal kontrollieren lassen – 1km hinter dem Grenzhof GPS Geräte wieder montieren.
Rund 2,5 Stunden sind vergangen und wir sind ganz offiziell im Libanon eingereist und wollen nun die alten Tempelanlagen bei Balabakk besichtigen. Wir merken recht schnell, dass hier die Uhren verkehrstechnisch etwas anders ticken. In Syrien fährt man chaotisch, nimmt aber Rücksicht – im Libanon fährt man chaotisch, nimmt aber keine Rücksicht! Dies die Info, die wir noch in Damaskus mit auf den Weg bekommen haben. Umso umsichtiger müssen wir hier unterwegs sein. Bei einem der Fotostopps versagt meine Canon ihren Dienst. Das Objektiv will einfach nicht mehr automatisch aus- oder einfahren und eine manuelle Betätigung gibt es leider nicht. Als wir in Balabakk ankommen, macht sich Remi alleine auf den Weg und besichtigt die gigantische Tempelanlagen. Alfred und ich sitzen in einer der Touri-Kneipen und ich versuche meine Kamera irgendwie wieder instand zu setzen. Leider ohne Errfolg! Ab sofort kann ich nur noch mit Alfred’s kleiner Poketkamera Bilder schießen. Für mich stellt dies einen herben Verlust auf halber Strecke unserer Reise dar. Wir wollen nach Tripolis, hierfür müssen wir die Gebirgskette ’Jabal Lubnan’, die die fruchtbare Tiefebene von dem steilen Küstenstreifen trennt überwinden. An den Berghängen, sie ragen bis über 3000 Meter in die Höhe, sind noch Reste von Schneefeldern zu erkennen. Die Auffahrt auf den Pass bei ’Al Arz’, dort Oben gibt es sogar ein Skigebiet, gestaltet sich für uns als ein kleines der Highlights dieser Reise. Soviel können wir an dieser Stelle mit Bestimmtheit schon sicherstellen. Die Nachmittagssonne lässt die Farben der Tiefebene, rote Erde, braune Felder, grüne Plantagen, sandfarbene Berghänge in Kombination mit dem tiefblauen Himmel, mit einer Kraft strahlen wie ich es jemals zuvor kaum gesehen habe. Wir halten ein um das andere Mal an, nur um uns gegenseitig sprachlos vor Begeisterung und ungläubig kopfschüttelnd in die Augen zu schauen. Ich und meine Dicke, so nenne ich meine BMW manchmal liebvoll, sind schon zahlreiche Pässe gefahren, aber dieser ist ein ganz Besonderer! Bei frischen 19°C, oben auf dem Pass angekommen, bestätigen mir Alfred und auch Remi die gleichen Gefühle.
Nicht weniger emotional gestaltet sich die Abfahrt zum Küstenstreifen. Wir haben diese landschaftlich wunderschöne Strecke wohl genau zum richtigen Zeitpunkt, mit eben dem idealen Nachmittagslicht erwischt, wie es besser kaum sein könnte. Die Zeit ist mittlerweile viel zu weit vorangeschritten. Wir müssen Tripolis rechts liegen lassen und fahren die Küstenstraße entlang nach Beirut. Ungefähr 25 km vor der libanesischen Metropole, in der mehr als die Hälfte aller Libanesen leben, suchen wir den Camping ’Le Colombes’ bei Amshit auf. Dieser Campingplatz wurde uns wärmstens von einem schweizer Pärchen, das wir in Damaskus kennengelernt hatten, empfohlen. Camping?!?! Naja, am Campingplatz sind auch Chalets zu haben. Direkt am Strand gelegen, mit Terassenblick über die Bucht von Beirut, würde jeder von uns für das Chalet nur ca. 8,-€ berappen müssen. Wir sind uns einig und ziehen ein. Den ganzen Tag über schon sind meine Gedanken Zuhause bei meinem lieben Sohn. Für ihn beginnt heute ein neuer Lebensabschnitt. Sein erster Schultag in der fünften Klasse der weiterführenden Schule. Jetzt habe ich endlich Zeit und Gelegenheit ihn anzurufen und ihn nach seinen neuen Erfahrungen zu fragen. Alles bestens, sein erster Tag war klasse, erzählt er. Nun bin auch ich wieder etwas erleichtert. Zu Fuß sind wir unterwegs entlang der Autobahn, um ein uns empfohlenes Restaurant aufzusuchen. Nach ca. 20 Minuten Fußmarsch und mehrmaligem Nachfragen, finden wir dieses sogar. Etwas underdressed kommen wir uns hier vor, kümmert uns aber weiter nicht, denn wir haben Hunger. Der Tipp war ein Guter, und wir bekommen hier ein wirklich leckeres, libanesisches Menü geboten.
Mi., 16.09.2009
Eine Unterkunft ohne Frühstück, eine weitere Herausforderung an unsere Flexibilität. Zum Frühstücken fahren wir die 35 km Küstenstraße nochmal nordwärts bis nach Tripolis. An der Strandpromenade suchen wir nach einem geeigneten Kaffee oder Bistro. Leider nix zu finden, entweder die Kaffees haben noch geschlossen, oder wir können unsere Motorräder nicht in Sichtweite parken. Etwas weiter im Stadtkern finden wir dann doch noch ein gemütliches kleines Kaffee mit einem reichhaltigen Angebot. So gestärkt, machen wir uns auf gen Süden über die Autobahn in Richtung Beirut. An der Stadtgrenze stoßen wir auf eine der gefühlten 100.000 Militärkontrollen die wir bisher passiert haben. Die Militärpräsenz ist hier wirklich enorm hoch. An jeder wichtigen Straßenkreuzung und Ortsdurchfahrt gibt es Straßensperren die durch Militärs, ausgestattet mit schweren Gewehren und Panzern, gesichert sind. Meist hat man uns nur freundlich gegrüßt und durchgewunken. Diesmal jedoch, müssen wir rechts ran fahren und uns einer eindringlichen Durchsuchung unterziehen lassen. Aus sicherer Quelle haben wir erfahren, dass gerade jetzt die Hochzeit der Haschisch-Ernte ist und die Drogen Mafia sich auf regelmäßige Auseinandersetzungen mit der Staatsgewalt einlässt. Wir öffnen Koffer und Taschen, Remi wird noch gefragt ob er denn Waffen mit sich führt, die Reisepässe werden begutachtet und alles wird für legal und ok befunden. Wir dürfen weiterfahren. Am Vorabend haben wir bei genau solch einer Kontrolle die Aufforderung Rechts ran zu fahren falsch gedeutet und sind einfach durchgefahren. Glück gehabt! In einer dicken Dunstwolke eingehüllt liegt Beirut vor uns. Wir kämpfen uns eine geschlagene Stunde durch den Vorstadtverkehr, bis wir endlich das Zentrum erreichen. Nicht aber bevor wir noch zuvor auf eine recht abendteuerliche Weise die Ankunft in Beirut dokumentiert haben.
Die langsame Fahrt im Stop and Go Betrieb setzt der Zweiventiler BMW von Remi etwas zu und als sie bei einem kurzen Stop ausgeht und nicht mehr anspringen will, ist das Überbrücken von Mopedbatterie zu Mopedbatterie, für uns das einzige Mittel um sie wieder in Gang zu bringen. Im sanierten Altstadtkern Beiruts, übersäht von noblen Einkaufsboutiquen, gönnen wir uns für die Anstrengungen einen Milkshake und eine Lemonsoda. Wir können die uns zuvor gelieferten Informatioen nur bestätigen. Im Libanon, speziell in Beirut, gibt es überdurchschnittlich gutaussehende Frauen, die alle extrem auf ihr Äußeres wert legen und sich entsprechend modisch gestylt präsentieren. Ein Blick auf die Uhr verrät uns, dass wir uns jetzt wieder auf den Weg machen müssen um noch heute wieder in Damaskus anzukommen. Das Verlassen von Beirut gestaltet sich ähnlich langwierig wie die Zufahrt. Mittlerweile mehr als geübt im Hupen und Vorbeimogeln an den Autoschlangen, erleiden unsere Lungen durch den Smog wohl eine vergleichbare Schädigung, die eines extensiven Kettenraucher über 5 Jahre gleichzusetzen ist. Nochmal über den Libanon Gebirgszug erreichen wir auf 1.200 Meter Höhe die Grenzstation die wir schon vom Vortag kennen. Ein kleines Ausreiseformular ausfüllen, Reisepass und Carnet abstempeln lassen und schon haben wir Libanon binnen 10 Minuten verlassen. Die Einreise nach Syrien steht uns bevor. In guter Erinnerung an unsere Ersteinreise, hoffen wir auf das Beste und wenige Komplikationen. Die Fahrzeugversicherung ist noch vom letzten mal gültig, aber ein neues Carnet muß wieder beschafft werden. Im Wesentlichen ist der Ablauf genau wie beim ersten Mal. Hier an dieser Station ist aber wesentlich weniger Andrang und all die Beamten die wir benötigen sind super bemüht, freundlich und sehr hilfsbereit. Die Wege von Stempelkissen zu Stempelkissen bleiben uns dennoch nicht erspart. Leider, so beteuert der Grenzer, müssen wir rund 90,- US Dollar für das Dokument hinblättern. Warum wir nicht schon in Deutschland ein Carnet erworben hätten, fragt er. Damit wäre ein schnellerer Ablauf gewährleistet und würde uns auch die vielen Dollars sparen. In der Tat, hätten wir allen ernstes damit gerechnet, dass wir mehrfach aus-, und wieder einreisen, dann hätte sich das Carnet, in Deutschland über den ADAC bezogen, jetzt schon bezahlt gemacht. Trotz des reibungslosen Ablaufs sind wir hier rund 1,5 Stunden beschäftigt, bevor wir die letzten Kilometer nach Damaskus angehen können. Wir beziehen wieder das Zimmer bei Achmet, im uns bekannten Backpacker und verbringen einen weiteren Abend in den engen Gassen der belebten Altstadt.
Do., 17.09.2009
Etwas über 300 km Wüstendurchfahrt nach Palmyra stehen uns heute bevor. Am Stadtrand begleiten große Industrieanlagen die Straßenführung und bilden für uns schon bald das Tor zur Wüste. Viele Steine, Geröll und dazwischen der feine Sand prägen hier die Wüstenlandschaft. Mehr zufällig, sind wir nur wenige Kilometer von der Stelle entfernt, an der ich ein paar Tage zuvor meine Dicke im Sand abgelegt habe. Wir halten kurz an um von einer verlassenen Lehmhütte ein Bild zu schießen. Ich packe gerade wieder den Foto in den Tankrucksack, als plötzlich wie aus dem Nichts, auf alle Fälle von Remi und mir völlig unbemerkt, ein Einheimischer auf seinem Moped vor uns steht. Es ist ja nicht das erste Mal, dass sich Einheimische für die Fremden und deren großen Motorräder interessieren. Dieses Mal ist es aber etwas anderes. Police, meint er und deutet mit dem Finger auf sich. Ich will es gar nicht glauben, denn bisher hatten wir die Polizisten immer nur in Uniform gesehen und nicht in Schlapperhemd und zerissener Jeans. Die Motoren sollen wir abstellen und er scheint es ernst zu meinen. Wir kein Arabisch, er kein Englisch, also nicht wirklich die beste Voraussetzungen für eine erfolgreiche Konversation. Stehen bleiben sollen wir, gibt er uns zu verstehen und telefoniert erstmal lautstark mit seinem Handy. Es scheint uns als wolle er Jemanden ans Telefon bekommen, der der deutschen, oder wenigstens der englischen Sprache mächtig ist. Scheint wohl nicht geklappt zu haben. “Passport!“, dieses nicht arabische Wort kennt er offensichtlich. Um meinen Reisepass herauszukramen, steige ich von meinem Motorrad und sehe erst jetzt die Pistole die unser Gegenüber locker zwischen Gürtel und Jeans geschoben hat. Dann ist es wahrscheinlich doch ein echter Polizist wird mir in diesem Moment klar. Zuerst schaut er sich Remi’s österreichischen Pass an, dann begutachtet er den von Alfred. Er tut so, als würde er Alfred’s Pass einziehen und deutet an ihn in seiner Brusttasche verschwinden zu lassen, holt ihn dann aber gleich wieder hervor und reicht ihn an Alfred zurück. Ein Scherz erlaubt er sich also mit uns. Weil ich unmittelbar vor ihm stehe, hebt er die Hand und will freundschaftlich mit mir abklatschen. Ich möchte ihn nicht beleidigen und halte meine ausgestreckte Hand entgegen. Als er einschlägt meine ich meine Finger fallen ab. Solch einen festen Schlag hat der Bursche drauf. Er kontrolliert noch meinen Reispass, macht einen kleinen Scherz über meine Frisur und will dann nochmals mit mir abklatschen. Auch diesmal halte ich meine Hand wieder gegen den heftigen Schlag. Die Stimmung ist nun etwas entspannter und er bietet uns sogar noch eine Zigarette an. Wahrscheinlich als zur Wiedergutmachung für den Schrecken, den er uns eingejagt hat. So plötzlich wie er aufgetaucht ist, so plötzlich startet er wieder sein Moped und rast davon.
Die Suche nach der richtigen Straße bei Al Qaryatayn unterbricht unsere Fahrt auf der endlos langen Geraden durch die Wüste. Die Landkarte unserer Navis weicht von der Papierlandkarte ab und Beides passt nicht zu dem Strassenverlauf. Dies erschwert uns die Orientierung ungemein. Gerade als wir wieder auf die richtige Strecke kommen, sehen wir zwei weitere Motorradfahrer mit eingeschaltenen Scheinwerfern. Das können keine Einheimischen sein, denn die fahren stehts ohne Licht. Ein Österreicher aus Wien auf einer Yamaha XT 600 und ein Rumäne auf einer Honda Africa-Twin. Sie kommen aus Jordanien und wollen ebenfalls nach Palmyra. Ein paar Kilometer fahren wir gemeinsam, dann trennen sich unsere Wege wieder, weil wir eine andere Route einschlagen als sie.
Am Straßenrand taucht ein grüner Wegweiser mit drei unterschiedlichen Richtungsangaben auf. Links nach Palmyra, Rechts Damaskus und geradeaus nach Bagdad. Wir sind wieder auf der kürzesten Verbindung zwischen Damaskus und Bagdad. An dieser Stelle, wir sind am Abzweig bei Al Busayri, sind es nur noch knappe 150 km bis in den Irak. Zu unserer Linken befindet sich das ’Bagdad Caffee’ welches uns zu einer kleinen Pause animiert. Eine kalte Pepsi, ein Kaffee türkischer Art und wir wären wieder hergestellt. Die Einrichtung ist im Beduinenstil gehalten und als ich mir die Räumlichkeiten etwas genauer anschaue, gestattet mir der Besitzer mit dem ausdrucksvollen Namen ’Sultan Shablak’ die oberen, privaten Räume ebenfalls zu besichtigen. Hier, es muß so was wie das Wohnzimmer sein, sitzt ein Freund von Sultan mit seiner Familie und speist. Auch hier heißt man mich wieder herzlich willkommen und bietet mir einen Paltz an. Schneller als ich nein sagen kann, habe ich den vier Monate jungen Sprößling der Familie auf dem Arm und werde mit dem Fotohandy abgelichtet. Alfred und Remi kommen ebenfalls in die obere Etage und es gibt wieder Cay und Beduinen-Gebäck. Gegen 16:00 Uhr haben wir die letzten 80 km hinter uns gebracht und kommen in der Oase Palmyra an. Schon bei der Einfahrt kann man die weit ausgedehnten Ruinenfelder, die größten und schönsten ihrer Art in Syrien, sehen. Ein kleiner Campingplatz, sehr idyllisch zwischen Olivenbäumen direkt an der Außenmauer zum Baal-Tempel gelegen, wird diese Nacht unser Zuhause sein. Der Camping ’Albaider Garden’ bietet Platz für ein paar wenige Wohnmobile und einige Zelte. Heute jedoch sind wir die einzigen Gäste.
Fr., 18.09.2009
Noch vor dem Frühstück wollen wir ein paar Bilder unserer Motorräder zwischen all den alten Ruinen aufnehmen. Fast die ganze Kulisse haben wir schon am Vorabend zu Fuß erobert. Mit Tee, Tomaten, Käse, Oliven und dem hier üblichen Fladenbrot gestärkt, machen wir uns wieder auf den Weg. Zuerst wollen wir aber noch die Burg, die hoch auf einem Felsen über die Tempelanlagen von Palmyra wacht, besichtigen.
Auf der Auffahrtsstraße kommt uns ein Land Rover entgegen. Er trägt ein Augsburger Kennzeichen. Als wir vor der Burg anhalten kommt auch der Augsburger neben uns gefahren. Solch ein Land Rover, mit allem ausgestattet, was man für eine Weltreise benötigt, war in unseren Gesprächen schon des öfteren Gegenstand der Diskussionen. Lutz, der junge Augsburger, schon seit sechs Monaten unterwegs, kommt gerade aus Georgien, Armenien und dem Iran. Er will weiter nach Jordanien, Ägypten, Sudan und bis runter nach Südafrika. Wenn er dann noch immer nicht genug vom Reisen hat, dann hängt er noch Südamerika hintendran. Terminlichen Zeitdruck hat er wohl nicht, denn sein Reiseende ist noch offen. Um ein paar kurze Reiseerzählungen reicher, machen wir uns in Richtung Dayr az Zawr auf den Weg. Weitere 200 km Wüste liegen vor uns. Im Rückspiegel ist nur ganz winzig Alfred’s Scheinwerfer zu erkennen, links und rechts die Steinwüste, die erst am Horizont einige Berge erkennen lässt. Gute 1000 Meter vor mir fährt Remi, dessen Kontour sich auf dem flimmernden Asphalt wiederspiegelt. Endlos scheint sich die schnurgerade Straße in den Horizont zu bohren. Mein Navi dessen Entfernungsmesser auf unser Tagesziel eingestellt ist, zählt Kilometer um Kilometer rückwärts.
Gerade eben springt der Kilometerzähler meines Motorrades auf genau 120.000 km um. Gedanken, was ich auf all den vielen Kilometern schon mit meiner BMW erlebt habe, gehen mir durch den Kopf. Zeit zum Nachdenken bleibt einem auf einer solch unbefahrenen Strecke mehr als genug. Gerade die zwei Wochen, die wir jetzt schon unterwegs sind, haben wieder so viele Erlebnisse mit sich gebracht. Die Gedanken sind dann aber auch bei meinen Lieben Zuhause. Was werden sie wohl gerade machen, geht es ihnen gut? Heute Abend will ich mich wieder telefonisch bei ihnen melden, um mich nach deren Wohlbefinden zu erkundigen.
Plötzlich fällt mein Blick auf den rechten Strassenrand, an dem sich schon von weitem der Kadaver eines verendeten Kamels ausmachen läßt. Ist es verhungert, verdurstet, an Altersschwäche gestorben, oder ist es einfach nur Opfer eines nächtlichen Verkehrsunfalls geworden? Diese Frage bleibt für mich leider unbeantwortet. Als kurioses Fotoobjekt muß es dennoch herhalten und nach wenigen Minuten schließe ich wieder zu Remi auf. Er jedoch steht am Straßenrand, direkt vor einer Polizeistation und ist in ein Gespräch mit einem Polizisten verwickelt. Wieder eine Kontolle? Nein, diesmal hat Remi nur gestoppt um auf uns zu warten und wurde sofort in ein Gespräch verwickelt. Das Ergebnis dieses Gesprächs ist eine Einladung zum Tee auf der Polizeiwache – irgendwo im Nirgendwo. Hier habe ich endlich die Gelegenheit und kann mal auf einem der Polizeimotorräder probesitzen.
Wir kommen an unserem Tagesziel in Dayr az Zawr, die Stadt am Euphrat, an. Das erste Hotel, das wir aufsuchen ist uns zu teuer. Das zweite Hotel ist leider belegt. Wir müssen also mit dem Hotel ’Al Arabia Alkaber’ vorlieb nehmen. Die Zimmer sind schlicht, die sanitären Einrichtungen lassen zu wünschen übrig und die Motorräder können nur in einer kleinen Seitengasse und unbeaufsichtigt geparkt werden. Dafür ist das Zimmer aber ziemlich günstig. Duschen, über den Markt schlendern und dann auf zum Abendessen ins Restaurant mit Blick von der Terrasse über den Euphrat und die ’Französische Brücke’, eines der Wahrzeichen dieser Stadt.
Sa., 19.09.2009
Früh, für unsere Verhältnisse sehr früh, rollen wir um Punkt 8:00 Uhr aus der Stadt. Entlang des größten Stroms Vorderasiens, geht es nord-west. Ein weitverzweigtes Bewässerungssystem macht die Euphratebene hier sehr fruchtbar und ermöglicht einen abwechslungsreichen Ackerbau. Wir nehmen die Route nördlich des Euphrat, sie soll interessanter und abwechslungsreicher als die weiter südlich gelegene Autobahn sein. Bei Kubar zweigen wir auf eine noch kleinere Nebenstrecke ab und können wenige Kilometer später die Festung ’Zalabiya’ am Südufer des Flusses ausmachen. Die Festung, deren Außenmauern sich über einen kompletten Berghang ziehen, bleibt von uns aber leider unbesucht. Ein paar Aufnahmen aus der Ferne und weiter geht’s.
Wir erreichen ’Ar Raqqah’. Noch ohne Frühstück im Bauch wollen wir hier einen Happen und einen Tee zu uns nehmen. Die Suche führt uns wieder einmal quer durch die Stadt und wir landen in mitten des Marktes. Mittlerweile haben wir ja genügend Übung, unsere bepackten Dickschiffe durch das Menschengetümmel zu manövrieren. Vor einer kleinen Bäckerei halten wir an und erkundigen uns nach etwas Essbarem und Tee oder Kaffee. Süßgebäck bekommen wir hier zur Genüge. Tee oder Kaffee wird hier nicht verkauft. Als der Besitzer des benachbarten Geschäftes, er hat sich anscheinend auf das Reparieren alter Ölfässer spezialisert, mitbekommt was uns noch fehlt, bekommen wir seine drei besten Stühle angeboten und er geht für uns Tee kochen. So, auf Mitten des Fußweges sitzend, sind wir auch gleich wieder die Hauptattraktion vorort. Es dauert keine zwei Minuten und eine riesige Menschentraube steht um unsere Motorräder und auch wir sind von Menschen umringt. Man stellt uns tausend Fragen, leider meist auf arabisch, aber irgendwie haben wir es noch immer geschafft uns mit den Menschen hier zu verständigen. Die Kinder wollen auf die Motorräder sitzen und von jedem Einzelnen muß ein Bild gemacht werden. Wir bedanken uns für die Gastfreundlichkeit und fahren mit dem Ziel ’Asad Stausee’ wieder los.
Etwas abseits unserer Strecke, auf einer Halbinsel im ’Asad Stausee’ gelegen, steuern wir eine weitere Burg an. Auch hier fehlt uns leider die Zeit, um die Zitadelle ’Qalaat Jabar’ ausgiebig zu besichtigen. Aber vor den Toren auf dem Parkplatz spricht mich auf Englisch ein Besucher im Scheichgewand auf meine BMW an. “Very good, BMW Deustschland“ ich stimme ihm zu und frage woher er denn kommt. Aus Saudi Arabien ist er – und zu Besuch hier. Ob es sich bei den vier Frauen die ihn begleiten um seine Frauen, oder teilweise um seine Töchter handelt, kann ich nicht erkennen. Sie sind allesamt in tiefschwarz gekleidet und tragen einen ebenso schwarzen Schleier über dem Kopf. Nur die Augen sind zu erkennen. Ich wechsle noch ein paar Worte mit dem Saudi. Mercedes ist in Saudi Arabien die Nummer Eins unter den Fahrzeugen, gleich gefolgt von BMW, weiss ich jetzt. Seine verschleierten Damen halten sich etwas im Hintergrund, aber ich sehe, dass auch sie an uns und unseren Motorrädern interessiert sind. Ein Bild muß ich nun zusammen mit ihm und mir machen lassen. Obwohl ich weiss, dass man eine verschleierte Frau normal nicht fotografieren soll, frage ich ihn ob er mir denn gestatten würde ein Bild der Frauen zu schießen und wundere mich über seine Antwort, “No Problem!“. Die Gelegenheit nehme ich wahr. Die Frage ob mir denn die Kleidung von ihm und seinen Begleiterinnen gefiele, beantworte ich selbstverständlich mit einem höflichen Ja. “You want to marriage in Saudi Arabia?“ darauf seine erneute Frage. Verlegen bemühe ich mich und greife zu der kleinen Notlüge, dass ich bereits verheiratet sei. “No Problem for us in Saudi Arabia!“ meint er grinsend. Bevor ich jetzt noch weitere peinliche Fragen gestellt bekomme, verabschiede ich mich von meinem neu gewonnen Freund und wir fahren wieder los.
Wir müssen über die Staumauer des ’Asad Staudamm’ fahren. Um dies zu dürfen, müssen bei der Kontrolle vor der Auffahrt zuerst unsere Reisepässe kontrolliert und deren Daten in einem Buch niedergeschrieben werden. Auch die einheimischen Fahrzeuge werden gestoppt, müssen den Kofferraum öffnen und dürfen dann erst den Kontrollpunkt passieren. Zu groß scheint hier die Angst um eines der wichtigsten Bauwerke und wichtigsten Energielieferanten, dieses Landes zu sein. Dies der Grund für die militärische Überwachung und dessen Schutz. Leider ist, wie bei jeder militärischen Einrichtung, das Fotografieren hier strengstens verboten.
Im weiteren Verlauf kommen wir wieder auf die Autobahn und schon seit einigen Kilometern beobachten wir, wie sich der Himmel mit dunkeln Wolken vor uns zuzieht. In der Ferne sehen wir die ersten Blitze. Ein Wüstengewitter mit Sandsturm, genau das, was Alfred in seiner Sammlung noch fehlt, meint er scherzhaft. Es dauert nur wenige Kilometer und wir befinden uns mitten drin.
Rund 85 km dauert die erste Regenfahrt auf dieser Tour. Waren es eben noch kalte 19°C, so steht die Anzeige meines Digitalthermometer schon wieder bei 32°C als wir die Stadtgrenze von Aleppo erreichen. Am Abend zuvor hatten wir uns in dem charmanten Hotel ’Dar al Kanadil’ wieder ein Zimmer für Drei reserviert. Nun heißt es nur noch die breiten Motorräder durch das Nadelöhr am Eingang zu fädeln und wir haben die kleine orientalische Oase der Ruhe wieder erreicht.
So., 20.09.2009
Hatte ich Gestern noch irgendetwas von Oase der Ruhe gesagt?!? Von Ruhe kann bei der vergangenen Nacht keine Rede sein. Pünktlich zum Sonnenuntergang ertönte ein lauter Kanonenschlag und der Muezzin verkündete das Ende des Ramadan. Gleichzeitig ist dies der Beginn der ’EED-Days’, ein drei Tage andauerndes Fest. Ab sofort ist für die gläubigen Moslems wieder Essen und Trinken unter Normalbedingungen gestattet. Die ganze Nacht werden Feuerwerkskörper abgebrannt, überall dröhnt laute Musik aus den Lautsprechern und die Leute feiern bis sechs Uhr in der Früh ein ausgelassenes Fest. Heute und die kommenden Tage, bleiben Geschäfte, Betriebe und Restaurants weitestgehend geschlossen. Drei Feiertage, in etwa vergleichbar mit unseren Weihnachstfeiertagen. Hier aber mit großen Feierlichkeiten in der Öffentlichkeit. Alfred beschließt für heute einen Ruhetag einzulegen. Nötig und verdient hätten wir das sicher alle Drei. Remi und ich wollen aber unseren letzten vollen Tag in Syrien nicht ungenutzt lassen und gehen so nochmal einen Tagesausflug an. Ca. 110km weiter südlich liegen für uns noch unbesichtigt die Ruinen von ’Apamea’. Wichtigste Sehenswürdigkeit hier in ’Apamea’ ist die rund 2 km lange Säulenstraße und mit einer Breite von 40 Metern, einzigartig auf der Welt.
Auf der Fahrt zurück nach Aleppo nehmen wir uns wieder eine etwas kleinere und abgelegenere Route vor. Wir fahren durch kleine Dörfer und auch hier feiert man die ’EED-Days’. Irgendwie scheint heute alles auf den Beinen zu sein um irgendwie, irgendwohin zu kommen. Meist sind die Leute herausgeputzt, zurecht gemacht und tragen zu diesem besonderen Anlass ihre beste Kleidung. Die Herren in Anzügen, teilweise sogar mit Krawatte, junge Frauen und Damen in wunderschönen teilweise bunt verzierten Gewändern und mit viel Schmuck dekoriert. Kinder, die Mädchen in vielfarbigen Kleidchen und die Jungs in der Sonntagshose. Ein weiterer Brauch, neben dem Abbrennen von Feuerwerkskörpern, scheint unter den Kindern auch das Schießen und Knallen mit Spielzeugpistolen zu sein. Gegen 15:00 Uhr sind wir wieder zurück in Aleppo und ruhen uns noch ein wenig aus. Ab Morgen steht für uns die Heimreise mit dann wieder längeren Tagesetappen auf dem Programm.
Mo., 21.09.2009
Vergangene Nacht hat es geregnet. Wir verlassen die Hügel der Altstadt von Aleppo mit größter Vorsicht, denn das Kopfsteinpflaster der engen, abschüssigen Gassen ist durch Regen und Schmutz schmierig wie Seife. Auf dem Weg zur Grenze haben wir noch einen kleinen Abstecher für den Besuch der ’St. Simeon Kloster’ eingeplant. Die Stunde Aufenthalt lohnt allemal. An der Grenze bei Kilis angekommen, machen wir uns auf die Suche nach dem richtigen Büro. Nur dreimal schickt man uns zwischen zwei Büros hin und her. Die Beamten sind sich nicht einig, ob wir zuerst den Stempel und dann die Unterschrift auf dem Carnet benötigen, oder ob die Reihenfolge doch umgekehrt ist.
Zwischendurch kommt etwas Hektik unter den Beamten auf. Ein Konvoi mit drei großen schwarzen Limousinen, eskortiert von mehreren Polizeiwagen, rollt heran. Dreimal kräftig gehupt, die Beamten nehmen allesamt Grundstellung mit milititärischem Gruß ein und mit fast ungeminderter Geschwindigkeit fährt der komplette Konvoi auf der Spur für Diplomaten durch die Kontrollen. Scheint eine wichtige Persönlichkeit gewesen zu sein. Schade, dass ihm die Lauferei nach Stempeln und Unterschriften versagt bleibt.
Nachdem man sich dann doch noch geeinigt hat wer zuerst unterschreibt oder stempelt, bekommen wir auch noch das Ausreisedokument ’Casima’ (500,- syriache Lira) bei dem Beamten, bei dem wir zuerst schon danach gefragt hatten und abgewiesen wurden. Noch schnell rüber zum Schalter der Polizei, um die Reisepässe zu stempeln und die Ausreise zu bestätigen. Schon sind wir aus Syrien ausgereist.
Weiter vorne am türkischen Grenzeingang empfängt uns ein junger Uniformierter, er trägt einen Mundschutz, wie ihn Chirurgen zur OP tragen. In der Hand hält er einen Thermoscanner und wir bekommen erstmal die Körpertemperatur gemessen. Die Schweinegrippe ist also auch hier schon angekommen! Die Motorräder rechts an der Durchfahrt abgestellt, weißt uns ein Grenzer an, zuerst in jenes Büro, dann dort rüber in das Andere und das wäre es dann schon. Eine klare Ansage, wie wir meinen. So was hätte uns bei den syrischen Beamten auch so einiges an überflüssigen Fußwegen erspart. Ganz kurz will man noch in unsere Koffer schauen, interessiert sich aber nicht wirklich intensiv für den Inhalt. Ob wir etwas zu verzollen hätten, Drogen oder Waffen bei uns hätten, so die Frage. Diese können wir selbstverständlich ruhigen Gewissens verneinen und sind in weit weniger als einer Stunde mit den Grenzformalitäten beider Grenzposten durch.
Etwa 60 km fahren wir an der türkisch – syrischen Grenze entlang und biegen dann Richtung Norden ab. Als vor uns der Himmel dunkel wird, stoppen wir bei Kahramanmaras an einer Tankstelle um unsere Regenbekleidung überzuziehen. Sofort bekommen wir auch hier wieder einen Cay angeboten. Draußen fängt es heftig an zu regnen, jetzt sogar mit Gewitter und Hagel. Man rät uns doch noch eine halbe Stunde zu pausieren um die Wetterbesserung abzuwarten. Rumstehen und warten bringt uns aber nicht voran, deshalb nehmen wir die Regenfahrt in Kauf und fahren weiter.
Laut Karte liegt jetzt eine sehenswerte Bergstrecke vor uns. Es regnet noch immer, die Bergstrecke bringt uns auf eine Höhe von fast 1.700 Meter, das Thermometer fällt bis auf 4,6°C. Unter diesen Bedingungen ist diese Strecke alles andere als interessant oder sehenswert für uns. Teilweise ist der Regen jetzt schon durch unsere Regenkleidung gedrungen, und wir sind völlig durchgefroren. Noch immer befinden wir uns über 1.500 Meter hoch. Remi hält an einem rasthofähnlichen Restaurant an damit wir uns mit einem heißen Tee oder Kaffee etwas aufwärmen können. Ein Hinweisschild deutet darauf hin, dass man hier auch ein Zimmer zum Übernachten bekommen könnte. Der Wirt will uns das Dreibettzimmer für 19,-€ die Nacht überlassen und als wir noch die Auswahl an Grillspeisen im Restaurant entdecken, fällt uns die Entscheidung hier in Sariz zu bleiben nicht mehr schwer.
Di., 22.09.2009
Aufwachen, der erste Blick geht aus dem Fenster, blauer Himmel und Sonnenschein! Die Ernüchterung kommt als wir zu unseren Motorrädern kommen, ganze 6°C zeigt das Thermometer. Nach dem Zwiebelprinzip eingepackt in unsere warmen Klamotten, können wir endlich los. Über Kayseri geht es weiter. Die traumhafte Landschaft und all die Sehenswürdigkeiten Kappadokiens, ein Umweg von nur 70 km wäre dafür nötig, lassen wir auf Grund der widrigen Umstände lieber ausfallen. In Höhe von Kirsehir stoppen wir, um unsere Motorräder zu betanken und uns wieder etwas aufzuwärmen. Die letzten 300 km waren zwar trocken, aber nur um die 12°C “warm“. Wir bekommen einen Cay und eine Suppe mit undefinierbarem Geschmack. Egal, sie schmeckt und ist heiß! Vor dem Restaurant werden auf einem Steinofen pfannkuchenähnliche Fladenbrote gebacken. Hauchdünn ist deren Teig, und sie sind mit einer Mischung aus Zwiebel und Kräutern gefüllt. Genau das, was uns noch gefehlt hat. Der holzbefeuerte Ofen tut sein Übriges um unsere unterkühlten Körper wieder etwas auf Temperatur zu bringen.
Die Nationalstraße 765 bringt uns Richtung Ankara. Die Temparatur ist jetzt mit 19°C etwas erträglicher. Kaum haben wir aber Ankara hinter uns gelassen, fängt es wieder an zu regnen. Am Standstreifen der Autobahn angehalten, die Regenpelle an und weiter geht’s. Mit den fallenden Tropfen, fällt auch wieder das Thermometer. Mehr als 100 km wollen wir das heute nicht mehr ertragen und suchen uns gegen 17:00 Uhr bei Bolu/Gerede ein Nachtlager. Mit dem Hotel Greenpark, direkt an der Autobahn gelegen, finden wir genau das, wonach uns heute der Sinn steht. Etwas gehobenere komfortable Betten, eine warme Dusche und ein lecker Menü zum Abendessen.
Mi., 23.09.2009
Wir sind noch immer auf 1.500 Meter über NN. Draußen ist Nebel und die Temperatur liegt bei 10°C. Dies hilft uns wenigstens bei der Entscheidung der Kleidungswahl. Das komplette Programm, inklusive Regenkombi wird übergezogen. Wir holen unsere Motorräder aus der gegenüberliegenden Werkstatt, dort konnten sie sicher nächtigen und fahren los. Kaum 10 km weiter reißen die Wolken auf, der Nebel verzieht sich und das Wetter scheint sich zu bessern. Die Regenbekleidung bleibt aber noch bis zum nächsten Tankstop in ca. 80 km, am Körper. Sie schützt nicht nur gegen Regen, nein sie hält auch die Körperwärme etwas zusammen. Erst kurz vor Istanbul nimmt die Anzeige des Höhenmesser ab und mit ihr steigt zum guten Glück auch die Temperatur etwas an. Wir sind wieder bei über 20°C und das macht das Fahren somit wieder erträglicher. Auch der Verkehr nimmt hier deutlich zu und es ist noch mehr Vorsicht geboten als ohnehin schon. Obligatorisch für uns ist der Stop kurz vor der Brücke über den Bosporus, die Verbindung von Asien nach Europa.
Die rund 250 km bis zum Grenzübergang nach Bulgarien hinter Edirne, werden wir auch noch schaffen, sind wir uns einig. Mit einem kräftigen Stempeldruck bestätigen uns die türkischen Zöllner die Ausreise. Auf der bulgarischen Seite ist man da etwas gelassener. Von weitem schon winkt uns ein Grenzer, eigentlich für eine ganz andere Fahrspur zuständig, durch die Kontrolle. Die türkischen Kollegen werden ihren Job schon gewissenhaft gemacht haben, mag er sich in dieser Situation denken. Kurz nach der Grenze holen wir uns noch für 10,-€ eine Vignette und fahren noch ganze 90 km auf der bulgarischen Landstraße bis uns ein erneuter Tankstop bei Haskovo zum Anhalten zwingt. Während wir unsere Tanks füllen, sehen wir nur zwei Häuser weiter ein Schild mit der Beschriftung ’Motel – Restaurant’. Wie für uns geschaffen, nutzen wir die Gelegenheit und beenden die heutige Etappe. Das Zimmer ist schlicht, aber sauber. Wir sind die einzigen Gäste, und so richtig ist man heute nicht wirklich auf Gäste vorbereitet. ’Mami’, so nenne ich die Wirtin einfach, sie entspricht zu 100% meiner Vorstellung einer bulgarischen Familienmutter, muß erstmal wegfahren um Brot einzukaufen. Wir nehmen inzwischen unser wohlverdientes Schrankenbier zu uns. Bis ’Mami’ zurückkommt, haben wir bereits unser zweites Feierabendbier geöffnet und ich beschließe für diesen Abend einmal das Laptop ausgeschaltet zu lassen. So unvorbereitet ’Mami’ auch ist, zaubert sie uns dennoch eine Grillplatte, die sich sehen lassen kann auf den Tisch. Jeder noch zwei weitere von dem einheimischen Bier und wir suchen unsere Betten auf.
Do., 24.09.2009
Irgendwie war die Nacht unruhig und kalt. Aber ’Mami’ bereitet für uns ein ausgiebiges Frühstück zu und mit den Worten: “Souvenir Deutschland“, gibt sie uns noch 3 Flaschen des bulgarischen Brausaftes mit auf die Reise. Die Außentemperatur von 12°C bei leicht bewölktem Himmel, stellt uns vor die wichtigste Entscheidung des Tages. Was sollen wir anziehen, oder besser auslassen? Glück gehabt, auf den ersten paar Kilometern stellt sich für mich heraus, dass ich bezüglich der Kleiderwahl ein glückliches Händchen bewiesen habe. Nicht allzu warm, aber gerade so, dass ich in der Früh nicht frieren muß. Bis wir in die Nähe von Sofia kommen, hat sich das Wetter zu unseren Gunsten entwickelt und ich kann mich meiner wärmenden Fleecejacke entledigen. Der Ring um Sofia, leider noch nicht als Autobahn ausgebaut, ist jetzt um die Mittagszeit ziemlich überfüllt. Noch 80 km bis zum bulgarisch-serbischen Grenzübergang. Erwartungsgemäß läuft auch hier alles reibungslos beim Grenzübertritt. Für die Stempel in unsere Reisepässe müssen wir noch nicht einmal von unseren Motorrädern absteigen. Wir befinden uns noch immer auf dem alten ’Autoput’ der ursprünglichen und wichtigsten Transitstrecke durch ehemals Jugoslawien. Je weiter wir uns Belgrad annähern, desto höher wird die Verkehrsdichte. Die Stadtautobahn die mitten durch Belgrad führt ist dicht. Mit überfüllten Straßenverhältnissen kennen wir uns ja bestens aus und so ist es auch hier kein Problem sich durch die Staus zu mogeln. 56 km noch bis zur Staatsgrenze nach Kroatien, teilt uns ein Hinweisschild mit. Auch diese nehmen wir noch auf uns und beenden unsere heutige Fahrt, dem trauten Zuhause um genau 777 km näher gekommen und ca. 5 km vor dem Grenzübergang zu Kroatien, in einem Motel am legendären ’Autoput’.
Fr., 25.09.2009
Auch diese Landesgrenze zu Kroatien ist schnell passiert und durch den kroatischen Korridor zwischen Ungarn und Bosnien fahren wir bis Zagreb. Bei Krapina ist unser nächster Grenzübergang nach Slowenien. Nur rund 60 km führt uns die Strecke durch Slowenien und die 27,-€ für die Jahresvignette ist uns dafür definitiv zu viel. Die Autobahn zu meiden ist aber leichter gesagt als wirklich getan. Alle richtungsweisende Schilder nach Österreich wollen uns immer wieder auf die Autobahn schicken. Remi, der sich unweit seiner Heimat bestens auskennt, findet auch diesmal wieder die richtige Route. Eine Kontrolle zwischen Slowenien und Österreich gibt es dank EU an der Landesgrenze nicht mehr. Für 4,40€ erwerben wir an der nächsten Tankstelle noch eine 10 Tagesvignette, um später auch legal über die österreichische Autobahn fahren zu dürfen. So kurz vor Remi’s Zuhause will er uns seine Heimat in der Steiermark noch etwas näher bringen und führt uns eine Extraschleife durch die ’Steirische Toskana’, wie die Weinbaugegend hier genannt wird. Kastanien und Sturm, ist zu dieser Jahreszeit der Verkaufsschlager der Region. Die Weinbauern verkaufen vor ihren Höfen geröstete Kastanien und ’Sturm’, was bei uns wohl als ’Neuer Wein’, oder ’Federweißer’ bezeichnet wird.
Bei Remi Zuhause, nähe Graz, angekommen, werden wir von seiner Frau Moni mit einem Schild empfangen, auf dem geschrieben steht, “Herzlich willkommen ihr Wilden!“. Sie hat für uns schon ein unvergessliches Dreigänge-Menü zubereitet. An dieser Stelle nochmal ein riesen Dank an Moni, für die Mühe, die sie sich für uns gemacht hat.
Sa., 26.09.2009
Der Abend war wieder viel zu kurz und nachdem wir uns bei einem ausgiebigen Frühstück gestärkt haben, geht es wieder auf die Autobahn. Graz, Wels, Passau, Nürnberg und Heilbronn sind die Zwischenziele auf unserer heutigen letzten 750 km langen Schlußetappe. Wohlbehalten, Unfall- und Pannenfrei, kommen wir wieder Zuhause an. Der Kilometerzähler meiner BMW zeigt jetzt 10.066 km mehr an als vor Reiseantritt. Die Eindrücke und Erlebnisse der letzten drei Wochen werden für uns unvergesslich bleiben und ein weiteres erfolgreiches Kapitel in Sachen Reisen ist abgeschlossen.
Nachtrag und Dankeschön
Mo., 28.09.2009
Wieder zurück und beim Versuch mich in den ’Alltag’ zu reintegrieren, möchte ich die Gelegenheit nicht verpassen, meinen beiden Mitfahrern Remi und Alfred nochmal auf das herzlichste zu danken.
Remi, danke, dass du knapp 10 tkm vor mir gefahren bist und auch immer den richtigen Weg gefunden hast.
Alfred, danke, dass du mir auf der ganzen Tour im wahrsten Sinne des Wortes immer den Rücken frei gehalten hast.
Danke Jungs, war echt klasse mit euch, hat suuuuper gepasst und von mir aus jederzeit gerne wieder in dieser Konstellation.
Und hier noch ein paar Zahlen zur Vervollständigung der Statistik:
Kilometer gesamt laut Tacho: 10.066 km
Bereiste Länder: 11
Grenzübertritte: 14
Reine Fahrzeit (GPS): 128:54 Stunden
Zeit im Stand (GPS): 42:47 Stunden
Schnitt in Fahrt (GPS): 74,2 km/h
Pannen: 000
Zu meinem Bilderalbum der Tour kommt ihr über folgenden Link -> Album