Reisebericht Albanien 2008
Track auf Google Maps:
Täter kehren immer wieder zum Tatort zurück...
...so, oder so ähnlich könnte man den Bericht zu unserer Motorradtour im Mai 2008 titulieren.
Nachdem wir auf unserer Balkantour im Jahr 2007 erste Eindrücke von Land und Leuten in Albanien gewinnen konnten, stand recht schnell fest - wir müssen wieder nach Albanien zurück, um weitere und weitreichendere kulturelle Eindrücke zu sammeln.
In leicht veränderter Besetzung zum Vorjahr, machen wir uns zu dritt (Micha, Daniela und ich) am Nachmittag des 15. Mai '08 mit dem Ziel Albanien auf den Weg. Die erste Etappe führt uns in das von Heidelberg rund 450 km entfernte Pfunds das im schönen Inntal Österreichs liegt. Im Ferienhof „Schöne Aussicht“ erwarten uns schon Agnes und Franz, mit denen wir am nächsten Morgen die Weiterreise antreten. Über den Reschenpass passieren wir die Grenze zu Italien, sehen die Spitze des versunkenen Kirchturms im Reschensee und kommen auf einer durch weitläufige Obstplantagen gesäumten Route hinunter nach Meran. Durch das Ultimotal, vorbei am Kalterer See, erklimmen wir mit unseren Motorrädern den Scheitelpunkt des Passo Manghen. Auf der Passhöhe von 2047 Meter, es ist inzwischen äußerst frisch und der vergangene Winter hat hier noch deutlich seine weißen Reste hinterlassen, lädt das Rifugio al Passo Manghen auf einen Mittagsstop ein. Aufgewärmt und frisch gestärkt machen wir uns auf die nächsten rund 100 km zur vereinbarten Unterkunft „Albergo Edelweiss“ in Tonezza del Cimone (Trentino). Dabei erwischt uns auf den letzten paar Kilometern ein wirklich unangenehm kalter Regen. Umso erfreulicher ist es, dass Sigi und Michael, die an der „Albergo“ zur Truppe stoßen uns mit einem Begrüßungsbierchen erwarten.
Im Vorfeld haben wir uns Zuhause beim ADAC schon Fährtickets besorgt und so müssen wir am nächsten Morgen auf den gut 115 km bis zum Hafen Venedigs in keine allzu große Eile verfallen. Unterwegs decken wir uns sogar noch mit etwas frischem Proviant für die Überfahrt ein. Am Fährhafen in Venedig angekommen sind die Bordkarten, unter Vorlage der Buchung, schnell ausgestellt, und wir entern die „Lefka Ori“ eine Fähre der griechischen Reederei „Anek Lines“. Vorbei an all den Sehenswürdigkeiten, die die Bucht von „Venedig“ aufwarten kann, geht es in Richtung offene See. Die 24 stündige Überfahrt (Venedig – Igoumenitsa) bietet reichlich Zeit für Entspannung und zum Knüpfen neuer und interessanter Bekanntschaften. Die letzten Stunden vor der Ankunft in unserem griechischen Zielhafen, schippern wir entlang der albanischen Küste. Zu unserer Freude können wir dort einige markante, uns aus dem Vorjahr bekannte, Punkte ausmachen. Einige dieser Punkte stehen bereits jetzt schon auf dem Programm im weiteren Verlauf unserer Reise und sollen nicht nur von See aus begutachtet, sondern auf dem Landweg angefahren werden.
Nach rund 513 Seemeilen (950 km) röhrendem Schiffsdiesel freuen wir uns, das Schnurren unserer Boxer beim Verlassen der Fähre genießen zu können. Nur bei Franz hält sich die Freude in Grenzen, da er sein Moped von der Fähre schieben muss. Bereits an den vergangenen Tagen war seine BMW schlecht, teilweise garnicht, oder nur mit Anrollen am Hang angesprungen. Die telefonisch über den ADAC Deutschland herbeigerufene Hilfe kann bei diesem Problem leider nur mit einer Info, die nächstgelegenen BMW Werkstatt in der rund 100 km entfernten Stadt „Ioanina“ aufzusuchen, weiterhelfen. Entgegen der ursprünglichen Planung, nach Norden über die Grenze nach Albanien zu fahren, machen wir uns nun Richtung Osten auf den Weg nach „Ioanina“.
Dort angekommen müssen wir leider feststellen, dass es in der ganzen Stadt keine BMW Vertretung gibt, die uns weiterhelfen könnte. Auf einem Campingplatz mit Blick über den „Ioanina See“ schlagen wir unsere Zelte auf, kramen unser Bordwerkzeug hervor und beginnen an Franz's Moped zu schrauben. Der erste und naheliegendste Verdacht bestätigt sich. An dem Valeo Anlasser haben sich zwei der vier mit dem Anlassergehäuse verklebten Permanentmagnete gelöst. Die Reste davon liegen zerbröselt im Gehäuse und hindern den Anlasser beim Startvorgang daran, sich zu drehen. Nach Entfernen der Bruchstücke und einer gründlichen Reinigung bauen wir den Anlasser mit nur 2 1/4 von ursprünglich 4 vorhandenen Magneten wieder zusammen und dann an seinem Bestimmungsort ein. Die Mühe wird belohnt und die BMW springt problemlos wieder an.
Vorbei an einigen Feldern, „Ionanina“ liegt auf einer fruchtbaren ca. 480 m hohen Hochebene, verlassen wir die Stadt am nächsten Morgen in nördlicher Richtung. Auf der Karte entdecken wir einen Hinweis auf die Ruinen des „Temple of Areus Zeus“. Was wir da vorfinden rechtfertigt den Umweg und die 20 minütige Suche danach allerdings nicht wirklich. 30 km später, wir fahren jetzt in Richtung Nord-West und steuern geradezu wieder den Bergen entgegen, passieren wir eine weitere Ruine des „Monastery of the Holy Fathers“. Der Stop hier lohnt sich schon eher und die kühle Quelle vor dem kleinen Kloster, das sich gerade im Wiederaufbau befindet, verschafft uns bei Temperaturen über 30°C etwas Abkühlung. Die Displays unserer GPS Geräte verraten uns die Nähe zur albanischen Grenze. Deren Verlauf folgen wir auf den nächsten Kilometern, durch das griechische Hinterland und mehrfach bis auf nur wenige hundert Meter nah. Einen Grenzübergang gibt es allerdings erst wieder in Küstennähe bei „Sagiata“. Vorbei an einem riesigen Duty Free Shop, wie man ihn in dieser Region sicher nicht vermuten würde fahren wir auf einer neuen, sehr gut ausgebauten Asphaltstrasse, bis hin zum griechischen Grenzposten. Schnell und mit einem hämischen Lächeln verabschiedet uns der griechische Grenzer und schickt noch eine eher rethorische Frage im Sinne, was wir als deutsche Touristen denn in einem Land wie Albanien wollten hinterher.
Wenige Meter weiter, am albanischen Schlagbaum angekommen, (viel Grenzverkehr findet hier wohl nicht statt), zahlen wir einen Euro (1,-€) Einreisegebühr, lassen unsere Reisedokumente überprüfen, abstempeln und befinden uns urplötzlich wie in einer anderen Welt. Abrupt ändern sich die Strassenzustände. Waren es eben noch gut ausgebaute asphaltierte Landstrassen, geht es ab sofort weiter auf einem schlecht geschotterten, nicht planierten, staubigen Weg, bis hin zur Bucht bei „Butrint“. Die Fähre über die Bucht hängt an einem mit Wagenfett eingeschmierten Stahlseil, das über im Boden verankerte Umlenkrollen und durch das Wasser zu einem kleinen Maschinenraum auf der einen Seite des Ufers führt. Als Maschinist bedient hier ein schätzungsweise 12 jähriger Junge einen alten Mercedes Benz PKW Dieselmotor, der im 10 Minutentakt die Lasten von einem zum anderen Ufer übersetzt. Nur etwa 10 km weiter finden wir in der Stadt „Ksamil“ Unterkunft in einem neugebauten Appartmenthaus und verbringen hier die erste Nacht in Albanien.
Am „See von Butrint“ geht es am nächsten Morgen weiter nach „Sarande“ und von hier aus Richtung Norden, auf der Küstenstrasse die wir bereits im Vorjahr schon einmal befahren haben. Diese Strasse war im Vorjahr zwar nicht von bester Qualität und abschnittsweise so eng, dass keine 2 PKW aneinander vorbeikamen. Jetzt ist diese Strasse eine nicht endend wollende Baustelle. Die Strasse ist auf dem kompletten Verlauf aufgerissen, wird verbreitert und begradigt. Über lange Passagen kämpfen wir uns unbeeindruckt von den unzähligen Baumaschinen durch losen Strassenbauschotter. Schon im nächsten Jahr wird diese Strecke einiges an Charme verloren haben und zur „Touristenautobahn“ mutiert sein. Dort wo sich die Hauptroute etwas von der Küste entfernt, suchen wir immer wieder kleine und kleinste Sträßchen, um ans Wasser zu gelangen. So scheuen wir auch die ca. 4 km lange, unbefestigte Strasse hinunter zur „Kakomea Bucht“ nicht, um dort erwartungsvoll einen der landestypisch guten Espressos zu uns zu nehmen. Wir reisen außerhalb der Hauptsaison, verkehrstechnisch und in Sachen Touristenaufkommen profitieren wir meist von diesem Umstand. Hier jedoch zeigt sich einmal mehr, dass die albanische Adria in Sachen Tourismus ebenso saisongebunden ist, wie wir das auch von anderen Regionen her kennen. Einen Kaffee gibt es zu dieser Zeit in dieser Bucht leider nicht. Nur ca. 25-30 km unbefestigte Reisekilometer weiter, in der „Bucht von Piqeras“, verlassen wir wieder die Küstenstrasse in Richtung Strand und kommen an das angepriesene „Family Bunkers Summer Resorts“. Hier wurden einige der ca. 600.000 – 700.000 durch „Enver Hoxha“ (1908-1985) wie im Wahn entlang der albanischen Adriaküste errichteten Bunker zu Ferienappartements umgebaut und erfreuen sich nun, während der Sommersaison, größter touristischer Beliebtheit. Oben auf der Kuppel einer kleinen Halbinsel, gelegen in der „Palermo-Bucht“, tut sich das „Fort Ali Pashes“ auf und lädt zu einem weiteren kleinen Zwischenstop ein. Nach kurzem Aufenthalt, wollen wir weiter, um bei „Dhermi“ am Fuße des „Llogarapasses“ unsere Zelte am Strand aufzuschlagen. Je weiter wir uns „Dhermi“ nähern, umso deutlicher werden die Gewitterwolken über den Berggipfeln. Die aktuelle Wetterlage verspricht eine nicht allzu trockene und stürmische Nacht unter freiem Himmel. Diesen Wetterkapriolen wollen wir uns nicht aussetzen und nach ein paar Tiefsandspielchen mit unseren schwer beladenen Motorrädern beschließen wir weiter Richtung Norden zu ziehen, um dort für die Nacht ein festes Dach über dem Kopf zu suchen. Nur mit großer Mühe quält sich Remi's Zweiventiler GS die ca. 1000 Höhenmeter bis zur Passhöhe hoch. Kurz zuvor, bei den Sandeinlagen am Strand, sendete Remi's Kupplung Rauchzeichen und kündigte damit ihr baldiges Ableben an. In dem „Hotel-Restaurant Ibiza“, ein im Blockhausstil neu errichtetes Gebäude, finden wir wenige Kilometer hinter „Orikum“ eine geeignete Bleibe, denn an ein Weiterkommen ist nun wegen komplettem Kupplungsversagen sowieso nicht zu denken.
Wir freuen uns auf ein erstes, gut gekühltes Schrankenbier und fangen mit dem Zerlegen von Remi's Motorrad an. Hierbei wird uns sehr schnell klar, dass so ein Weiterfahren am nächsten Morgen unmöglich ist. Remi organisiert über den ÖAMTC den Versand eines neuen Kupplungsbelages von Österreich nach Albanien. Die Ersatzkupplung soll schon am übernächsten Tag, am Flughafen in Albaniens Hauptstadt „Tirana“ eintreffen. Angesichts der sehr gut ausgestatteten Zimmer, die wir als Erstbezug einweihen dürfen und der umfangreichen Speisekarte des „Hotel Ibiza“, fällt uns diese Zwangspause nicht wirklich schwer. Hier wird uns genügend Zeit bleiben, um die Gegend zu erkunden und die einheimische Bevölkerung etwas besser kennen zu lernen. In unserer „Zwangsunterkunft“ werden wir überdurchschnittlich freundlich und zuvorkommend behandelt und schon nach kürzester Zeit sind wir mit dem Hotelchef, seiner Frau und dem Service- und Küchenpersonal auf Du und Du.
Ein ausgiebiges und gemütliches Frühstück bestärkt uns in dem Gedanken, am heutigen Wartetag, der naheliegenden Halbinsel „Karaburun“ einen Besuch abzustatten. Auf der Halbinsel befindet sich eine albanische Militärbasis, und der Besuch ist nur mit einer schriftlichen Genehmigung von oberster Ebene, aus „Tirana“, erlaubt. Solch eine Genehmigung liegt uns natürlich nicht vor und ist auf die Schnelle auch nicht zu erhalten. Unser Wirt verspricht uns jedoch, dass wir mit einem ortskundigen Freund der Familie, nicht auf diesen Ausflug verzichten müssen. Mit seinem alten Daimler 200 Diesel fährt er voraus und zeigt uns einen Schleichweg auf die Halbinsel. Nach wenigen Kilometern kommen wir aber selbst mit unseren geländegängigen BMWs nicht mehr weiter und müssen die Erkundungstour abbrechen. Am Abend genießen wir in unserer Herberge ein vorzügliches Menü, mit lokalen Spezialitäten vom heißen Stein und das ein oder andere Bierchen, in diesem Falle handelt es sich um frisch gezapftes, kaltes, australisches Fosters findet seine Abnehmer.
Für ein angemessenes Entgelt bietet sich heute ein weiterer Freund der Wirtsfamilie an, Remi in die rund 150km entfernte Hauptstadt „Tirana“ zu bringen, um dort am Flughafen die per Luftfracht gelieferten Ersatzteile abzuholen. Ein wahres Abenteuer, wie uns Remi am Abend berichten wird. Die Fahrkünste und der südländische Fahrstil seines „Taxifahrers“, lässt Michael auf der Fahrt mehrfach regelrecht den Atem stocken. Am Frachtterminal in „Tirana“ angekommen, erweist es sich jedoch als großer Vorteil, einen Einheimischen, der die Landessprache spricht, mit dabei zu haben. All die benötigten Stempel und Formulare, die für ein nur so kleines Päckchen benötigt werden, sind als Ausländer wohl nur sehr schwer und mit einem erheblich höheren Zeitaufwand zu bekommen. Wir sind an diesem Tag gemütlich unterwegs und fahren in die nahe gelegene Stadt „Vlore“. Dort, am Ende einer Landzunge kommen wir zu Fuß über einen rund 300 Meter langen Steg auf die kleine Insel „Zvërnec Island“ und können für einen kleinen Obolus das Kloster „St. Mary“ besichtigen. Noch ein Espresso in der Stadt und dann fahren wir wieder zurück in unsere Blockhausunterkunft, um dort auf Remi's Rückkehr mit den Ersatzteilen zu warten. Es dauert gute zwei Stunden und ein bisserl Schraubererfahrung, um das Motorrad wieder fahrtüchtig zu bekommen. Den erfolgreichen Zusammenbau feiern wir mit einem ausgiebigen Abendessen bei Wein und Bier im Kreise der Familie und deren Angestellten. Um Mitternacht fährt der Küchenchef Sekt und eine eigen kreierte Süßspeise auf. Daniela, die Geburtstag hat, ist von der Überraschung sichtlich gerührt und sprachlos. Zur Feier des Tages wird noch ein, aus hauseigenen Trauben hergestellter Raki aufgetischt. Mit jeder Runde dieses albanischen Nationalgetränks fallen uns die Schrittfolgen des albanischen Folkloretanzes, den wir an diesem Abend lernen ‘müssen‘ leichter und leichter.
Die letzte Nacht hat uns nur wenige Stunden Schlaf beschert. Aber Trübsal blasen nutzt nichts, Remi's Maschine ist wieder fit und noch so viele Highlights auf unserer ursprünglich geplanten Route wollen erlebt werden. Ausgiebig von unseren neu gewonnen Freunden verabschiedet, brechen wir wieder auf. Durch „Flore“ und „Fier“ geht es dann in östliche Richtung nach „Berat“. „Berat“ ist eine der ältesten Städte Albaniens, und wer von Weitem die auf einem malerischen Hügel gelegenen weißen Häuser und die Burg erblicken kann, der weiß, warum diese Altstadt als eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten gilt und weit über die Landesgrenzen hinaus auch als „Die Stadt der tausend Fenster“ bekannt ist. Selbstverständlich machen wir hier einen Stop und schlendern durch die Gassen der Altstadt. Die nächsten Kilometer bis in die Hafenstadt „Durres“ versprechen wenig Abwechslung. Aber mit der Vorfreude auf das uns bereits bekannte und etwas südlich von „Durres“ gelegene Strandhotel, lassen sich die rund 100 km spielend abspulen. Genau wie im Vorjahr erwartet uns hier wieder eine adäquate Unterkunft zu einem fairen Preis und zum Abendessen bei einem traumhaften Sonnenuntergang die besten „Spaghetti Frutti di Mare“, die ich je gegessen habe.
Franz und Agnes verlassen uns heute Früh und treten wie geplant ihre Heimreise alleine an. Unser Tagesziel liegt heute ein ganzes Stück weiter in Richtung Osten und so geht es durch die Hauptstadt „Tirana“ weiter auf den Berg „Dajti“, der zu einem kleinen Zwischenstop einlädt und von dem man einen herrlichen Blick über die große Hauptstadt genießen kann. Durch den „Dajti Nationalpark“ weiter nach „Shengjergj“ wird die Strassenbeschaffenheit immer grober und die Wege enger. Hier haben wir zum ersten Mal per Handy Kontakt zu Alfred, der am frühen Morgen in Istanbul gestartet ist und noch an diesem Abend zu uns stoßen möchte. Auf dem Weg nach „Bulqize“ überqueren wir einen Gebirgszug, dessen unbefestigten Wege teilweise recht schwer zu befahren sind. Mehrfach müssen wir eine eingeschlagene Richtung korrigieren oder ganz umkehren. Die Landkarten und die Daten unserer GPS Geräte passen einfach nicht mit den Gegebenheiten hier vor Ort zusammen und erschweren uns die Navigation ungemein. Für die anstrengenden rund 50 km benötigen wir mehrere Stunden, werden dafür aber mit atemberaubenden Ausblicken, in eine malerische Berglandschaft entlohnt. Wieder auf der eigentlichen Landstrasse SH6 angekommen, sputen wir uns, um noch vor der einsetzenden Dämmerung, den zwischenzeitlich mit Alfred vereinbarten Treffpunkt zu erreichen. Fast zeitgleich mit Alfred, er wartet erst seit einer Zigarettenlänge hier, kommen wir bei „Maqellare“ nähe der nördlichen Grenze von Mazedonien an. Eine Unterkunft für uns gibt es in diesem verlassenen Dorf leider nicht und obwohl die Nacht schon hereingebrochen ist, fahren wir weiter bis kurz vor „Peshkopi“, wo wir ein Pizzeria ähnliches Restaurant entdecken. Wir stoppen und erkundigen uns nach einer Unterkunft. Lecker und ausgiebig wird man hier verköstigt, mit einem Hotelzimmer könne man uns aber leider nicht dienen, erklärt uns der Restaurantbesitzer in perfekt deutscher Sprache. Wir können aber auf dem Parkplatz unsere Zelte aufschlagen, so sein Angebot. Aufgrund der fortgeschrittenen Dunkelheit nehmen wir dieses Angebot dankend an und wollen uns erstmal aus seiner Küche verwöhnen lassen. Das Essen ist wirklich vorzüglich und wir hätten nicht gedacht in dieser abgelegenen Gegend solch eine gute Pizza zu bekommen. Zu unserer Überraschung bietet man uns nun doch an, unter einem festen Dach nächtigen zu können. Sein Bruder, er betreibt eine kleine Autowerkstatt auf dem Nachbargrundstück, wird für uns seine Garage freiräumen und wir können dort die Nacht auf dem Fußboden in unseren Schlafsäcken und auf unseren Isomatten verbringen.
Die Nacht war kurz und recht früh am Morgen machen wir uns wieder auf den Weg. Über eine abenteuerlich anmutende Brücke überqueren wir bei „Muhuri“ den Fluß „Drin“. Mal in der Talebene, mal hoch am Berg, aber immer entlang des Flusses geht es die nächsten rund 60 km über unbefestigte Wege und teilweise groben Schotter bis nach „Kukes“. Auch hier zeigt sich die Natur entlang der kompletten Strecke wieder von ihrer schönsten Seite und lädt zwischendurch auch mal auf einen Mittagsstop am Flußufer ein. Irgendwo in einem der kleinen Dörfer, bevor wir „Kukes“ erreichen, fange ich mir eine Spaxschraube ein. Diese hat sich durch die Reifendecke meines Hinterrades gebohrt und führt unweigerlich zu einem schleichenden Plattfuß. In Sachen Reifenreparatur haben wir ja ausreichend Erfahrung und so kann ich an einer LKW Werkstatt, unter Zuhilfenahme deren Kompressors, den Platten in wenigen Minuten wieder Instand setzen. Wir verlassen die Stadt in westliche Richtung und sind überrascht eine fantastisch ausgebaute Landstrasse (E 851), die sich hier durch die Bergwelt schlängelt, vorzufinden. Irgendwo auf der Strecke springt der Kilometerzähler meiner treuen BMW um und die ersten 100.000 km sind erreicht. Dieser Moment muß selbstverständlich per Digicam dokumentiert werden. Kurz hinter „Laidhize“, nach ca. 45 km, verlassen wir diese sehr gut ausgebaute Strecke, um das heutige Ziel „Fierze“ anzusteuern.
Die Strasse nach „Fierze“ wird gerade auf der kompletten Länge erneuert und auf den losen Kies- und teilweise tiefen Sandpassagen, ist ein Vorankommen nur sehr schwer und mit enormen Zeitaufwand möglich. Nicht verwunderlich, dass wir unter diesen Umständen „Fierze“ erst nach Einbruch der Dunkelheit erreichen. Mitten in der Stadt, die den Titel Stadt aufgrund der geringen Einwohner- und Häuserzahl kaum verdient hat, finden wir in einem Hotel, welches diesen Titel ebenfalls nicht verdient hat zwei Zimmer. Eine andere Option gibt es hier leider nicht und immerhin sind die Zimmer preiswert und sauber. In einem kleinen, nahegelegenen Restaurant nehmen wir noch unser Abendessen zu uns und diskutieren den weiteren Verlauf unserer Reise. Alfred, Micha, Remi und Sigi wollen noch die Schotterstrecken des Valbonatals unter die Räder nehmen. Für Daniela und mich, zusammen unterwegs auf einem Motorrad, waren die letzten Schotterpassagen recht anstrengend und wir beschließen die Gruppe vorübergehend zu verlassen und am frühen Morgen die Fähre über den „Komani Stausee“ zu nehmen.
In der Früh, um 6:00 Uhr, soll die Fähre die nur zweimal täglich verkehrt ablegen. Sehr zeitig, bereits gegen 5:30 Uhr, haben wir uns von den anderen verabschiedet und an der Landungsbrücke der Fähre eingefunden. Auch hier ist der Ausdruck Landungsbrücke eher geschmeichelt. Nur über einen aufgeschütteten Erdhügel, der je nach Wasserstand mit einer Planierraupe aufgeschüttet oder abgetragen wird, ist die Fähre für Passagiere und Fahrzeuge zu erreichen. Direkt an der Landungsbrücke liegt ein halb abgesoffener Reisebus im See. Diese Tatsache und der erbärmlich anzuschauende Zustand des Schiffes steigern nicht gerade unser Vertrauen in diesen Seelenverkäufer. Wikipedia definiert Seelenverkäufer als seemännischer Ausdruck für ein nicht mehr voll seetüchtiges Wasserfahrzeug, das die „Seelen“ der Passagiere und Besatzungsmitglieder „verkauft“, und genau dieser Gedanke ereilt uns beim Anblick dieses in die Jahre gekommenen Schiffes. Wir versuchen diesen Gedanken zu verdrängen, denn schließlich wird uns die Fähre in nur 2 Stunden der nächst gelegenen größeren Stadt „Shkodra“ näher bringen und uns eine anstrengende 6 stündige Fahrt, zurück über die Großbaustelle die wir am Vorabend gekommen sind, ersparen. Landschaftlich ist die Fahrt auf dem Stausee eine wirkliche Bereicherung und erinnert an eine Schiffsreise durch die Fjorde Skandinaviens. Einzig und alleine die unzähligen PET Plastikflaschen, die auf dem See treiben, sind ein Wermutstropfen und stören das Bild einer perfekten Landschaftsidylle. Wie auch schon an anderen Stellen dieses Landes festzustellen war, nimmt man es hier in Sachen Umwelt- und Naturschutz noch nicht allzu ernst. Wir verlassen den Seelenverkäufer und nach ein paar km unbefestigtem Weg erreichen wir die Landstrasse nach „Shkodra“. Nach einer kurzen Kaffeepause können wir westlich von „Shkodra“ schon gegen 10:00 Uhr, ohne weitere Verzögerungen, den Grenzübergang nach „Montenegro“ passieren. Hier in „Montenegro“ wollen wir die nächste Nacht verbringen und halten das ein oder andere Mal an, um uns nach einer Übernachtungsmöglichkeit zu erkundigen. So schön wie „Montenegro“ ist, so teuer sind die Hotels und Appartements auch. Im Vergleich zu anderen Ländern hier auf dem Balkan und für unsere bereits geschmälerte Reisekasse, zu teuer. So überqueren wir mit der Autofähre die Bucht von „Kotor“, reisen nach Kroatien ein und beschließen auch noch die restlichen ca. 100 km, vorbei an „Dubrovnik“ bis in das bosnische Küstendorf „Neum“ zu fahren. Hier in „Neum“, direkt am Wasser kennen wir ein kleines, liebenswertes Hotel, bei dem das Preisgefüge für Unterkunft und Verpflegung noch stimmt und wesentlich preiswerter als in „Montenegro“, oder dem benachbarten Kroatien ist. Für die nächsten beiden Nächte buchen wir uns hier ein und genießen ein ausgiebiges Abendessen auf der romantisch gelegenen Strandterasse.
Das Motorrad von dem lästigen Gepäck befreit, wollen wir heute nochmal ein paar Kilometer zurückfahren und die südkroatische Stadt „Dubrovnik“ besichtigen. Die seit 1979 in das UNESCO Weltkulturerbe aufgenommene historische Altstadt Dubrovniks ist auf alle Fälle einen Besuch wert und Temperaturen über 30° C schrecken uns auch bekleidet mit Motorradschutzausrüstung nicht ab, alles zu erkunden. Auf dem Rückweg in unser Hotel machen wir noch einen kurzen Stop in einer kleinen Bucht und nutzen die Zeit für ein erfrischendes Bad im Mittelmeer. Am Abend, wir sitzen gerade wieder beim Abendessen auf der Strandterasse, ereilt uns ein Anruf von Alfred, Remi und Sigi mit der Info, dass Micha an diesem Morgen auf einer unbefestigten Strecke mit seinem Motorrad gestürzt ist und sich dabei eine schwere Schulterverletzung zugezogen hat. Mittlerweile wurde Micha aber schon in das Krankenhaus in „Shkodra“ und von dort aus in die Militärklinik nach „Tirana“ überführt. Die Nachricht über diesen Unfall unseres Freundes in Albanien trifft uns wie ein Schlag und selbstverständlich bieten wir unsere Hilfe, wie auch immer diese aussehen könnte, an. Unsere Freunde beruhigen- und erklären uns, dass in der Klinik schon bestens für unseren Freund Micha gesorgt würde.
(Nachtrag: Die Versorgung im albanischen Krankenhaus war Michas Erzählungen zufolge wohl eher exotisch als umsorgt und die reibungslose Kommunikation mit Versicherung und Automobilclub in Deutschland lies ebenfalls sehr zu wünschen übrig. Micha hat am nächsten Morgen auf eigenes Risiko die Klinik verlassen und ist mit dem nächsten Flieger nach Deutschland zurückgekehrt. Seine Genesung hätte besser verlaufen können, aber heute ist er wieder einigermaßen fit und auch sein Motorrad wurde nach mehreren Monaten Wartezeit nach Deutschland zurück überführt.)
Wir wollen uns in drei Tagen wieder mit den Anderen treffen und setzen unsere Reise heute mit dem Ziel „Krka Wasserfälle“ in Kroatien fort. Die kroatische Küstenstrasse, nach vielen Beschreibungen eine der schönsten Küstenstrassen Europas und außerhalb der Hauptreisezeiten ein wahres Erlebnis für jeden Motorradfahrer, führt uns nördlich auf gut 220 km entlang dieser Traumroute bis „Lozovac“ in der Nähe des Eingangs zum „Krka Nationalpark“. Wir suchen nur kurz nach einer geeigneten Unterkunft für uns, bringen unser Gepäck auf das Zimmer, ziehen uns um und machen uns auf den Weg in den Nationalpark. Die Wasserfälle die sich hier in mehreren Kaskaden flussabwärts aneinanderreihen und schon zu großen Teilen als Kulisse der Winnetou-Filme dienten, sind jeden Cent der 12,- € für das Eintrittsticket wert. Naturschauspiel pur und die Möglichkeit in einem der Auslaufbecken eines Wasserfalls zu schwimmen, nutze selbstverständlich auch ich für ein abkühlendes Bad.
Ein neuer Tag und ein neues Etappenziel. am morgigen Abend wollen wir uns mit Remi, Alfred und Sigi auf einem Campingplatz an den „Plitvicer Seen“ treffen. Von der Küstenstrasse haben wir genug gesehen und so entscheiden wir uns für eine Route weiter im Landesinneren. die hochsommerlichen Temperaturen sind in dieser Bergregion auch weitaus erträglicher als an der Küste. Über „Knin“ kommen wir an die kroatisch-bosnische Grenze und reisen bei „Strmica“ ein weiteres Mal nach „Bosnien und Herzegowina“ ein. Hier in den Bergen, abseits der vom Tourismus verwöhnten Küstenregion, tickt die Uhr noch anders. Immer wieder stößt man hier auf die Hinterlassenschaften des sogenannten Jugoslawienkrieg der auf dem Balkan in den Jahren von 1991 bis 1995 in barbarischer Form wütete. Nur zu gut können wir uns die Berichterstattungen durch Presse und Fernsehen dieser Zeit wieder vor Augen führen. Geradezu grotesk und fast wie unwahr erscheint uns ein verlassenes Dorf in der Nähe von „Bosansko Grahovo“. Rote Schilder auf denen sich ein Totenkopf befindet, kennzeichnen das Areal als minengefährdet. Als hätte der Krieg noch Gestern hier getobt sind alle Häuser dieses kleinen Geisterdorfes von ihren Bewohnern verlassen, zerbombt und zerschossen. Wir können und wollen uns nicht vorstellen was in den Kriegsjahren hier alles passiert sein mag. Als krasser Gegensatz hierzu präsentiert sich jedoch die Hauptstadt dieser Region – „Bihac“. Auch hier trifft man vereinzelt noch auf Zeugnissen des grausamen Krieges, aber die Stadt ist größtenteils wiederaufgebaut und sehr modern gestaltet. Strassenkaffees, Einkaufspassagen, Modeboutiquen, zeitgemäße Tankstellen und auf ihr Äußeres bedachte junge Leute prägen das Bild dieser Universitätsstadt. Von hier aus sind es nur noch wenige Kilometer zurück nach Kroatien und zu dem von uns als Treffpunkt vereinbarten Campingplatz, den wir schon von früheren Reisen kennen. Wir mieten uns in einer der Blockhütten ein, köcheln uns was zum Abendessen und den Rest des Abends verbringen wir bei ein bis zwei Flaschen Rotwein in geselliger Runde mit ein paar europareisenden Australiern.
Kroatiens größter und bedeutendster Nationalpark, die „Plitvicer Seen“ sollen Heute unser tagesfüllendes Programm werden. Auch dieser Nationalpark genießt für seine Naturschauspiele weltweite Bekanntheit und hat dies ein stückweit auch mehreren Karl-May-Verfilmungen, in denen einige See- und Wasserfallszenen gedreht wurden, zu verdanken. Einen Tag motorradfrei, denn zu Fuß erkunden wir den Park und dies ist nicht weniger anstrengend. Gegen 17:00 Uhr sind wir wieder zurück an unserem Campingplatz und nutzen die Zeit die wir auf unsere Freunde warten noch für einen kleinen Einkauf. Mit dem obligatorischen Schrankenbierchen stoßen wir auf das Wiedersehen an und begrüßen Remi, Alfred und Sigi bei ihrer Ankunft an der Pforte des Campingplatzes. Zuerst erkundigen wir uns natürlich nach den neuesten Entwicklungen und dem aktuellen Wohlbefinden unseres verunfallten Freundes Micha und erfahren, dass er mittlerweile per Flieger zuhause in Deutschland angekommen ist. Beim Abendessen und ein paar weiteren Bierchen lassen wir den Abend ausklingen und tauschen gegenseitig die Erlebnisse der letzten Tage aus.
Langsam müssen wir uns wieder auf den Weg in Richtung Heimat machen und bei „Senj“ zurück an der Küste, fahren wir Richtung Norden, mit dem Etappenziel „Racja Vas“. Dieses kleine Dörfchen liegt abseits jeglicher Touristenrouten, irgendwo in mitten der Berge, auf der kroatischen Halbinsel „Istrien“. Vor einigen Jahren sind wir hier bei einem zufälligen Zwischenstop auf die kleine Dorfkneipe aufmerksam geworden. Hier in dieser rustikalen Herberge wurden wir damals schon herzlichst aufgenommen und auf das Vorzüglichste bewirtet. Dies der Grund das „Racja Vas“ ein fester Anlaufpunkt für uns geworden ist, wenn es sich irgendwie mit unseren Reiseplanungen vereinbaren lässt. Auch dieses Mal werden wir wieder überschwänglich begrüßt und verbringen den Abend in gemütlicher Runde unter ‘alten‘ Bekannten.
Am Morgen halten wir unsere Erinnerungen noch auf einem gemeinsamen Gruppenfoto fest und brechen auf. Wir passieren die Grenze nach Slowenien und wollen auf dem Weg noch der zweitgrößten für Touristen erschlossene Tropfsteinhöhle, die „Postojna Grotte“, einen Besuch abstatten. An der Höhle angekommen schreckt uns das große Aufkommen an Touristen und die Höhe des Eintrittspreises von rund 25,- € pro Person von einer Besichtigung ab. Nur wenige Kilometer weiter trennen sich unsere Wege und nach einer ausgiebigen Verabschiedung von Remi, wählt dieser einen nordöstlichen Kurs in Richtung seiner Heimatstadt „Graz“. Für uns geht es Kurs Nordwest durch „Tolmin“, „Kobarit“, über den „Predilpass“ nach Österreich. Von dort weiter über den „Nassfeldpass“ bis „Kötschach-Mauten“ und hier auf den „Gailbergsattel“ auf dem wir in dem gleichnamigen Hotel unsere letzte gemeinsame Nacht verbringen wollen. Den Tag beenden wir bei einem gemütlichen und ausgiebigen Abendessen.
Noch rund 600 km liegen heute vor uns bevor wir wieder Zuhause ankommen. Der am Vorabend noch vereinbarte Abstecher über den „Großglockner“, fällt dem trüben Wetter leider zum Opfer und so führt uns der Weg durchs „Felberntauerntunnel“, an „Kitzbühel“ und dem „Walchsee“ vorbei zurück nach Deutschland. Hier verabschieden wir uns von Sigi der weiter in seine Heimat in den Bayrischen-Wald muß und nehmen zusammen mit Alfred ab „Oberaudorf“ die Autobahn bis zurück nach „Heidelberg“.
’Täter’ kehren immer wieder zu ihrem Tatort zurück...
Wir, die Täter (Remi, Micha, Alfred, Sigi, Daniela und ich) sind ungeteilter Meinung, auch mit der diesjährigen Reise wieder ein großes Stück mehr über Kultur, Land und Leute in Albanien, unserem ergreifenden ‘Tatort‘, kennengelernt zu haben. Diese durchgängig positiven Eindrücke eines im wahrsten Sinne des Wortes faszinierenden Landes werden uns noch sehr lange in Erinnerung bleiben und so vor unserem geistigen Auge begleiten.
Zu meinem Bilderalbum der Tour kommt ihr über folgenden Link -> Album